Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Urkunde bei Unterzeichnung mit einem Fantasienamen. Voraussetzungen einer Rechtsmittelbeschränkung

 

Leitsatz (amtlich)

›1. Zwar steht eine fehlerhafte Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter eine Strafvorschrift der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung grundsätzlich nicht entgegen. Das gilt jedoch nicht, wenn gegen den Angeklagten eine Strafe gar nicht verhängt werden könnte, weil nach den getroffenen Feststellungen eine Straftat überhaupt nicht vorliegt und die fragliche Tat allenfalls als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann.

2. Eine Urkunde liegt nur dann vor, wenn sich aus ihr auch ein Bezug der Erklärung zu einem erkennbaren Aussteller ergibt. Das ist nicht der Fall, wenn der Urheber der Urkunde diese mit einem Phantasie- oder Decknamen unterzeichnet und daraus ohne weiteres hervorgeht, dass sich in Wahrheit niemand dieses Namens an der Erklärung festhalten lassen will.

3. Zwar kann eine Verurteilung grundsätzlich nicht auf die Feststellungen eines freisprechenden Urteils gestützt werden; das gilt jedoch nicht, wenn der Angeklagte sie nicht bestreitet und auch die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft sie nicht angreift.

4. Stellt der zu beurteilende Sachverhalt keine Straftat dar, hatte deswegen also keine Anklage zu ergehen, ist nach Klärung der Rechtslage in der Revisionsinstanz der wahre Charakter des Verfahrens maßgebend. Kommt nur eine Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit in Betracht, ist es als Bußgeldsache nach den dafür geltenden Vorschriften fortzuführen. Das Revisionsgericht weist die Sache in diesem Fall an das zuständige Amtsgericht zurück.‹

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 04.06.2007)

 

Gründe

I. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten dem Anklagevorwurf entsprechend wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen.

Nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils verwendete er anlässlich einer Durchsuchungsmaßnahme in seiner Wohnung gegenüber den daran beteiligten Beamten des Finanzamtes und der Polizei zum Nachweis seiner Identität eine Plastikkarte im Scheckkartenformat (85 x 54 mm), die auf der Vorderseite durch entsprechende Aufdrucke auf im Wesentlichen hellblauen Grund als "Personalausweis" des "Deutschen Reiches" gekennzeichnet und neben einem Adlerwappen und Chip auch mit einem Passfoto, den Personendaten und der Unterschrift des Angeklagten versehen war. Auf der Rückseite war als ausstellende Behörde "i.V. der Polizeipräsident in Groß-Berlin" mit Datum "11.07.2005" genannt. Die Karte ist in den Urteilsgründen mit Vor- und Rückseite vollständig abgebildet.

Diese Entscheidung griff der Angeklagte mit der Berufung an. Auch die Staatsanwaltschaft legte dagegen Rechtsmittel ein, das sie zunächst ohne weitere Ausführungen als Revision bezeichnete, nach Zustellung des Urteils aber als Berufung fortführte. In der dazu abgegebenen Begründung beanstandete sie allein die Strafzumessung und beantragte, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Angeklagten zu einer deutlich höheren Strafe zu verurteilen. Der Angeklagte nahm sein Rechtsmittel noch vor Beginn der Berufungshauptverhandlung zurück. Die Staatsanwaltschaft hielt ihre Berufung aufrecht.

Die Berufungskammer hat darauf hin das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Die in der Rechtsmittelbegründung der Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch hat sie für unwirksam erachtet, weil gegen den Angeklagten auf Grundlage der durch das Amtsgericht getroffenen Schuldfeststellungen keine Strafe hätte verhängt werden dürfen. Die dort beschriebene, als Ausweis verwendete Plastikkarte sei keine Urkunde im Sinne des gesetzlichen Tatbestands. Der Angeklagte habe von ihr auch nicht zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II. Das in zulässiger Weise, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel hat, soweit damit eine Bestrafung des Angeklagten verfolgt wird, keinen Erfolg.

1. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen ergibt, dass die Berufungskammer zu Recht über den Gegenstand der Anklage vollständig neu entschieden hat. Eine Teilrechtskraft des Schuldspruchs (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 318 Rdn. 31) hatte sie nicht zu beachten. Die mit der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung ihres Rechtsmittels war nicht wirksam.

Zwar steht eine fehlerhafte Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter eine Strafvorschrift der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung grundsätzlich nicht entgegen (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 12 m.w.N.). Das gilt jedoch nicht, wenn gegen den Angeklagten eine Strafe gar nicht verhängt werden könnte, weil nach den getroffenen Feststellungen eine Straftat überhaupt nicht vorliegt (BGH aaO.; BayObLG NJW 1992, 3311; NStZ 2005, 309; Gössel in Löwe/...

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