Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Nebenbürgen nach teilweiser Erfüllung eines Vergleichs zwischen der Bürgschaftsgläubigerin/Bank und einem anderen Bürgen
Leitsatz (amtlich)
1. Dass die Hauptforderung erloschen ist, muss der Nebenbürge selbst dann beweisen, wenn die Leistungen auf einer dem Nebenbürgen inhaltlich nicht bekannten Vereinbarung beruhen, die der Bürgschaftsgläubiger mit einem anderen Bürgen getroffen hat.
2. Sind derartige Leistungen unstreitig, jedoch dem in Anspruch genommenen Nebenbürgen im Einzelnen nicht bekannt, trifft den Bürgschaftsgläubiger (Bank) eine sekundäre Behauptungslast.
3. Lässt sich wegen Nichtbeachtung der sekundären Darlegungspflicht nicht feststellen, in welchem Umfang die Hauptforderung der klagenden Bank noch besteht, kann das zur vollständigen Abweisung der Klage gegen den weiteren Nebenbürgen führen.
Normenkette
BGB §§ 362, 765, 767-769, 774, 776
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 05.07.2005; Aktenzeichen 6 O 244/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Mainz vom 5.7.2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschl. der Kosten des Streithelfers des Beklagten zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die klagende Bank nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft auf Zahlung von 935.094,55 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Die Bürgschaft sichert Darlehen, die ursprünglich von der Bank M. (im Folgenden: RVB) gewährt wurden. Darlehensnehmerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die aus den Gesellschafterinnen E. Bauträger GmbH und P.C. Wohnungsbau GmbH bestand. Die E. Bauträger GmbH ist mittlerweile insolvent.
Die über 5.410.000 DM lautende Bürgschaft des Beklagten datiert vom 17.8.2000; § 769 BGB ist abbedungen. Das gilt auch für eine denselben Kredit sichernde Bürgschaft des K.P.E. (Streithelfer des Beklagten). Beide Bürgen waren an der Darlehensnehmerin beteiligt.
Am 20.3.2002 kündigte die RVB das Darlehen fristlos wegen unterbliebener Nachbesicherung des Kredits und Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Darlehensnehmerin. Hiernach zahlte der Beklagte am 8.4.2002 100.000 EUR auf die Bürgschaft, nachdem er zuvor mit Schreiben vom 3.4.2002 mitgeteilt hatte, das Darlehen/Bürgschaftskonto werde "in den nächsten zwei bis drei Jahren zu 100 % getilgt".
Am 11.4.2002 trat die RVB sämtliche Forderungen aus dem Kreditengagement an die Klägerin ab. Die Abtretung erfolgte vor dem Hintergrund einer Verschmelzung der RVB mit der M.V. Bank.
Da der zweite Bürge (Streithelfer des Beklagten) die fristlose Kündigung des Darlehensvertrages für unwirksam hielt, führte er einen Rechtsstreit mit der Klägerin. Dieses Verfahren wurde am 20.10.2004 durch eine "Globalvereinbarung" der Klägerin mit dem Streithelfer beendet. Darin ist bestimmt, dass die Klägerin nach Erfüllung der "Globalvereinbarung" auf alle weiteren Ansprüche ggü. dem Streithelfer verzichtet, mit Ausnahme der von einem Unternehmen der E.-Gruppe bestellten Sicherheiten bzw. "bestellter Drittsicherheiten". Dazu hat die Klägerin mitgeteilt, aus ihrer Sicht sei die Globalvereinbarung "bis zum heutigen Tage nicht vollständig vollzogen". Die Klägerin meint, die Globalvereinbarung mit dem Streithelfer berühre die Ansprüche gegen den Beklagten nicht.
Der Beklagte meint, die Abtretung sei u.a. wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis nichtig. Die Kündigung sei mangels Kündigungsgrund unwirksam. Einem Erfolg der Klage stehe letztlich auch die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem zweiten Bürgen entgegen. Im Innenverhältnis der beiden Bürgen sei eine hälftige Haftung vereinbart.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Kündigung des Kreditvertrages sei unwirksam. § 19 Abs. 3 AGB-Banken erfordere einen wichtigen Grund zur Kündigung. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation einer der beiden Mitgesellschafterinnen der Darlehensnehmerin reiche dafür nicht aus. Dass die andere Mitgesellschafterin sich in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe oder weitere Sicherheiten nicht hätte aufbringen können, sei nicht dargetan. Jedenfalls sei die Kündigung des Kredits treuwidrig, weil sie nicht aus Gründen des konkreten Kreditrisikos sondern vor dem Hintergrund der Fusion der RVB mit einer anderen Bank erfolgt sei. Mangels wirksamer Kündigung habe die RVB die Forderung nicht an die Klägerin abtreten dürfen. Im Schreiben des Beklagten vom 3.4.2002 und in der Zahlung der 100.000 EUR könne kein Schuldanerkenntnis gesehen werden.
Mit der Berufung wiederholt die Klägerin den erstinstanzlichen Antrag. Organisatorische Änderungen bei der Darlehensgeberin seien Anlass, jedoch nicht Grund der Kündigung gewesen. Die Darlehensnehmerin und ihre beiden Gesellschafterinnen, zumindest aber die E. Bau...