Leitsatz (amtlich)
Für eine trockene Makuladegeneration ist auch angesichts dessen, dass eine schulmedizinische Behandlungsmöglichkeit praktisch nicht besteht, eine in einer ophthalmologischen Klinik angebotene "retrobulbäre Injektionsbehandlung" nicht als medizinisch notwendige Heilbehandlung anzuerkennen, da kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden kann und eine Verlaufsverzögerung nach den Behandlungen mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit einem Placeboeffekt zugeordnet werden kann.
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 02.02.2012; Aktenzeichen 6 O154/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Trier vom 2.2.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt aufgrund der mit der Beklagten geschlossenen privaten Krankheitskostenversicherung (Bl. 12-22 d.A.) von dieser die Erstattung von Kosten für bereits durchgeführte und für künftig erfolgende Heilbehandlungen.
Der Kläger leidet seit 1997 an einer sog. trockenen Makuladegeneration, die unheilbar ist und zu einem schnell fortschreitenden Verlust der Sehschärfe und der Sehfähigkeit bis hin zur nahezu vollständigen Erblindung führt. Seit August 1999 unterzieht sich der Kläger deshalb in halbjährlichem Abstand einer Heilbehandlung in Form einer retrobulbären Injektionsbehandlung durch Dr. B in der Ophthalmologischen Klinik Prof. Dr. med. A in C (Schweiz). Dabei werden in einer knapp einwöchigen Behandlungsmethodik Medikamente mittels Injektionen unter die Bindehaut und hinter den Augapfel gespritzt, begleitend erfolgt eine Medikation und unterstützende Wärmebehandlung. In Ergänzung und Abstimmung dieser Behandlung erfolgt die weiter gehende Medikation über den ortsansässigen Augenarzt des Klägers, Herrn Dr. D.
Die Beklagte zahlte zunächst sowohl die Behandlungskosten von Dr. B als auch die Medikation und die Heilbehandlungskosten des Dr. D. Ab Anfang des Jahres 2008 verweigerte sie zunächst die Übernahme der Medikamentenkosten und ab Herbst 2008 zudem die Erstattung der Heilbehandlungskosten in C, da es sich um eine in der Schulmedizin überwiegend nicht anerkannte Behandlungsmethode handle, deren Wirksamkeit nicht ausreichend belegt sei.
Der Kläger hat vorgetragen, aufgrund der erfolgten Behandlung sei ein Behandlungserfolg eingetreten. Denn es sei ein beachtlich geringeres Fortschreiten der Augenerkrankung festgestellt und die Sehschärfe über einen langen Zeitraum überraschend stabil gehalten worden. Die Behandlung sei jedenfalls als vertretbar anzusehen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.478 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus dem Krankheitskostenversicherungsvertrag, Vers.-Nr ..., bedingungsgemäß zukünftig die Kosten, welche dem Kläger infolge des Leidens an einer trockenen Makuladegeneration, insbesondere durch retrobulbäre Injektionsbehand-lung, entstehen, zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 899,40 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, es handele sich bei der praktizierten Injektionsbehandlung nicht um eine von der Schulmedizin überwiegend anerkannte Behandlungsmethode, weshalb eine Leistungspflicht nur bestehe, wenn sich diese Methode in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt hätte oder keine schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 150-179, 184-186, 252-258, 288-290 d.A.) des Prof. Dr. med. G, Facharzt für Augenheilkunde und Direktor der Augenklinik E-Kliniken F, die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Leistungspflicht der Beklagten nach § 4 Nr. 6 RB/KK 94, die zwischen den Parteien vereinbart worden seien, lägen nicht vor. Denn es handele sich nicht um eine Behandlungsmethode, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sei (§ 4 Nr. 6 Satz 1 RB/KK 94) und auch nicht um eine Methode, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt habe oder die angewandt werde, weil keine schulmedizinischen Methoden zur Verfügung stünden (§ 4 Nr. 6 Satz 2 RB/KK 94).
Die Behandlungsmethode von Dr. B entspreche nach der Einschätzung des den Kläger behandelnden Augenarztes Dr. D (vgl. Bl. 32 d.A.) nicht den schulmedizinischen Richtlinien und nach den überzeugenden gutachterlichen Äußerungen des Prof. Dr. G sei sie auch nach der Meinung der wissenschaftlichen Fachgesellschaft in der Schweiz weltweit nicht anerkannt und werde weltweit auch nicht in anerkannten Zentren durchgeführt. Damit könne sich die Behandlungsmethode auch nicht in der Praxis als erfolgversprechend bewährt haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen entspreche die verabreichte Mischung nicht der Schulmedizin. Es seien weder das Vo...