Leitsatz (amtlich)
Die hyperbare Sauerstofftherapie (Druckkammerbehandlung) ist eine etablierte alternative Methode zur Behandlung einer aseptischen Knochennekrose (hier Morbus Ahlbäck), die sich "in der Praxis ebenso erfolgsversprechend bewährt" hat wie die schulmedizinisch anerkannte Behandlung dieser Erkrankung. Dies begründet einen Leistungsanspruch gem. § 4 (6) Satz 2 Alt. 1 MB/KK.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 21.01.2011; Aktenzeichen 4 O 235/09) |
Tenor
1. Das Urteil des LG Tübingen vom 21.1.2011, Az: 4 O 235/09, wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.740,58 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.8.2009 zu bezahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. weiteren 775,64 EUR zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens: 9.740,58 EUR
Gründe
I. Der am 28.2.1960 geborene Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung, die er bereits am 9.1.1986 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (der C. KV AG) abgeschlossen hatte (vgl. Versicherungsschein Nr. 283 ... in Anl. K 1, Bl. 14 d.A.). Der vorliegend maßgebliche Versicherungsumfang ergibt sich aus dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2008 (vgl. Anl. K 2, Bl. 15f d.A.). Einbezogen sind die MB/KK.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Erstattung von Heilbehandlungskosten i.H.v. 9.740,58 EUR sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Dem liegt folgendes zugrunde:
Im Dezember 2008 wurde am rechten Kniegelenk des Klägers Morbus Ahlbäck des Krankheitsstadiums I bis II diagnostiziert. Die behandelnden Orthopäden Dr. K., M., und Dr. R., R., empfahlen dem Kläger eine Behandlung im Wege der "hyperbaren Sauerstofftherapie". Diese von der Schulmedizin nicht anerkannte alternative Behandlungsmethode ließ der Kläger in der Folge im "DCS" durchführen. Das DCS stellte dem Kläger hierfür den Gesamtbetrag von 4.950,21 EUR in Rechnung, den der Kläger auch bezahlt hat.
Im Frühjahr 2009 wurde beim Kläger auch im linken Knie Morbus Ahlbäck diagnostiziert. Im Zeitraum vom 28.04. bis 25.5.2009 ließ sich der Kläger daraufhin auch wegen dieser Erkrankung beim DCS behandeln. Diese Behandlung kostete den Kläger 4.790,35 EUR.
Der Kläger fühlt sich seit den durchgeführten Behandlungen beschwerdefrei. Eine Überprüfung des rechten Kniegelenks mittels MRT ergab eine nahezu vollständige Heilung; das Ödem, das sich im rechten Kniegelenk gebildet hatte, war deutlich zurückgegangen.
Die nach der Behandlung erfolgte MRT-Untersuchung des linken Kniegelenks ergab eine praktisch vollständige Rückbildung des Ödems, so dass die Erkrankung am linken Kniegelenk vollständig ausgeheilt ist.
Die Beklagte verweigerte die Erstattung der angefallenen Behandlungskosten mit der Begründung, bei der hyperbaren Sauerstofftherapie handele es sich um eine nicht wirksame, von der Schulmedizin nicht anerkannte Behandlungsmethode. Es handele sich demnach um keine notwendige Heilbehandlung i.S.d. Versicherungsbedingungen. Überdies hätten anerkannte und wirksame Behandlungsmethoden der Schulmedizin zur Verfügung gestanden, nämlich entweder Knochentransplantationen (Spongiöse Transplantationen und/oder autologe Knochentransplantation) oder operative Behandlungsmethoden im Wege der sog. Mikrofrakturierung. Im Gegensatz zu der vom Kläger gewählten hyperbaren Sauerstofftherapie seien die schulmedizinischen Methoden medizinisch notwendig und evidenzbasiert wirksam.
Des Weiteren wandte die Beklagte ein, die Behandlung im DCS sei nicht durch einen niedergelassenen Arzt erfolgt.
Das LG holte bei Prof. Dr. med. N. W., ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik und Poliklinik T., ein schriftliches Sachverständigengutachten ein, das federführend Titularoberarzt Dr. med. Sch. entwarf und in der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 2.12.2010 mündlich erläuterte (vgl. die entsprechende Sitzungsniederschrift, Bl. 158 ff d.A.).
Das LG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die geltend gemachten Behandlungskosten seien deshalb nicht erstattungsfähig, weil es sich bei der beim Kläger angewandten Behandlungsmethode nicht um eine solche handelt, für die die Beklagte bedingungsgemäß die Kosten zu erstatten hat. Auch könne nicht festgestellt werden, dass ein zuständiger und berechtigter Mitarbeiter der Beklagten - wie der Kläger behauptete - die Kostenerstattung in einem Telefonat individuell zugesagt habe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand, wegen der getroffenen Feststellungen und der rechtlichen Erwägungen des LG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (vgl. Bl. 176 ff. d.A.).
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Er nimmt hierfür auf seinen erstinstanzlichen Vortrag ...