Leitsatz (amtlich)
Ein Krankenversicherer kann im Einzelfall nach § 242 BGB daran gehindert sein, sich auf das Fehlen der Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit zu berufen, wenn er in dem Versicherungsnehmer die berechtigte Erwartung erweckt hat, er werde die Kosten einer bestimmten Behandlung übernehmen.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 20.02.2013; Aktenzeichen 23 O 275/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.2. verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Köln - 23 O 275/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.1. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der durch die Tiefenhyperthermiebehandlungen seiner an einem metastasierten kolorektalen Karzinom (Dickdarmkrebs) erkrankten und mittlerweile verstorbenen Ehefrau entstandenen Kosten über den vom LG für die Behandlungen bis zum 14.3.2011 zugesprochenen Betrag von 1.393,32 EUR hinaus zu.
Gemäß § 1 Abs. 1 der dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankenversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB/VV 2009, Bl. 75 ff.) erbringt der Versicherer im Versicherungsfall Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 AVB/VV 2009 ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 AVB/VV 2009 leistet der Versicherer im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet nach § 4 Abs. 6 S. 2 AVB/VV 2009 darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgsversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen.
Eine Erstattungsfähigkeit der Kosten der ab dem 14.3.2011 durchgeführten Tiefenhyperthermiebehandlungen besteht nach Maßgabe dieser Voraussetzungen nicht.
a. Das LG hat mit Recht angenommen, dass es der Beklagten nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, § 242 BGB, verwehrt ist, sich auf das Fehlen der vertraglichen Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit der nach dem 14.3.2011 durchgeführten Behandlungen zu berufen.
Ein Versicherer kann im Einzelfall nach § 242 BGB daran gehindert sein, sich auf das Fehlen der Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit zu berufen, wenn er in dem Versicherungsnehmer die berechtigte Erwartung erweckt hat, er werde die Kosten einer bestimmten Behandlung übernehmen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn Aufwendungen für gleichartige Behandlungen des Versicherungsnehmers in der Vergangenheit stets beanstandungslos erstattet worden sind (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 28.9.2012 - 20 U 225/11). Hier hat die Beklagte die bei ihr eingereichten Rechnungen für Hyperthermiebehandlungen der Ehefrau des Klägers zwar zunächst reguliert, ohne Einwände gegen die Erstattungsfähigkeit zu erheben. Mit Leistungsabrechnung vom 14.3.2011 (Bl. 85 f. d.A.) hat sie eine weitere Erstattung jedoch abgelehnt und zur Begründung angeführt, dass Kosten für solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erstattet würden, die schulmedizinisch anerkannt seien. Stünden schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung, übernehme sie auch die Kosten alternativer Behandlungsmethoden, wenn sich diese in der Praxis als ebenso erfolgsversprechend bewährt hätten. Bei den durchgeführten Hyperthermiebehandlungen sei dies aber nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger auf die Erstattung der Kosten für künftige Behandlungen nicht mehr vertrauen. Die mit der Berufung geltend gemachten Kosten betreffen jedoch sämtlich Behandlungen, die nach dem 14.3.2011 durchgeführt worden sind.
b. Das LG ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die vertraglichen Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Behandlung der Ehefrau des Klägers mit Tiefenhyperthermie nicht vorliegen.
aa. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Heilbehandlung i.S.v. § 1 Abs. 2 MB/KK medizinisch notwendig ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH (VersR 1996, 1224), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urt. v. 15.6.2012 - 20 U 45/11), ein objektiver Maßstab anzulegen. Danach ist eine medizinische Behandlung dann notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, die Maßnahme des Arztes als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist eine Heilbehandlung dann, wenn sie in fundierter und nachvollziehbarer Weise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch erfasst und eine ihm adäquate, geeignete Therapi...