Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anscheinsbeweis bei Arterienverschluss nach Herzkatheteruntersuchung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Treten nach einer Herzkatheteruntersuchung, für die der Zugang zunächst über den rechten Unterarm versucht worden war, Verschlüsse und Verstopfungen der den Arm versorgenden Gefäße auf, spricht kein Anscheinsbeweis für ein ärztliches Fehlverhalten, weil es sich um ein spezifisches Risiko handelt.

2. Ist ein Aufklärungsmangel aufgrund der vom Arzt nachgewiesenen Unterrichtung des Patienten ausgeschlossen, ist dessen Behauptung, bestimmte Informationen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht verstanden zu haben, unerheblich, wenn nicht aufgezeigt wird, dass sich dem aufklärenden Arzt ein unzureichendes Verständnis seiner Sachinformationen erschließen musste. Eine Haftung des Arztes wegen unzureichender Aufklärung kommt in einem derartigen Fall mangels Verschulden nicht in Betracht.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 276, 278, 611, 823, 847; ZPO §§ 286-287

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 21.11.2007; Aktenzeichen 10 O 502/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 21.11.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der

Kosten des Streithelfers Dr. med. K. fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wurde am 27.5.2004 in der Inneren Abteilung des Krankenhauses der Beklagten zu 3., die der Beklagte zu 2. leitete, aufgenommen. Man wollte mit einer Katheter-Untersuchung dem Verdacht auf einen Herzinfarkt nachgehen.

Der Eingriff wurde alsbald von dem Beklagten zu 1. durchgeführt. Er war als Oberarzt tätig und in Katheteruntersuchungen erfahren. Der Versuch, durch eine Punktion der Arteria radialis den Weg über den rechten Unterarm zu nehmen, scheiterte, weil es offenbar zu einem Gefäß - Spasmus kam. Darauf wurde der Zugang über die rechte Leiste gewählt. Am späten Nachmittag des 27.5.2004 entließ man die Klägerin aus dem Krankenhaus.

Bereits am 21.5.2004 war der Klägerin ein Aufklärungsbogen zur Katheterunter-suchung überreicht worden, in dem die beiden Möglichkeiten des Zugangs Erwähnung fanden und in dem vom Risiko einer Verletzung oder eines Verschlusses von Gefäßen die Rede war. Vor dem Eingriff am 27.5.2004 erneuerte die Klägerin anlässlich eines Gesprächs mit der Beklagten zu 4. ihre unterschriftliche Erklärung vom 21.5.2004, den Aufklärungsbogen gelesen und verstanden zu haben sowie in die Untersuchung einzuwilligen.

Die Beklagte zu 4., die als Stationsärztin arbeitete, vermerkte ergänzend, man habe die Gefahr der Gefäßverletzung und des Gefäßverschlusses erörtert; nach dem Vorbringen der Klägerin traf das nicht zu.

Die stationäre Versorgung der Klägerin nach dem Eingriff erfolgte unter der Verantwortung der Beklagten zu 4.. Auffälligkeiten wurden dabei nicht festgestellt. Die Klägerin hat vorgetragen, Schmerzen im rechten Arm gehabt zu haben. Es ist aber weder behauptet noch sonst ersichtlich, dass sie davon Mitteilung machte.

Am 28.5.2004 suchte die Klägerin die ärztliche Praxis des Streithelfers der Beklagten auf. Sie übergab ein von den Beklagten zu 1., zu. 2. und zu 4. unterzeichnetes Schreiben, das die Durchführung einer Katheteruntersuchung mit einer unauffälligen Darstellung der Koronarien attestierte. Ihrem Vortrag nach wies die Klägerin auf einen Bluterguss am rechten Unterarm hin und klagte über Schmerzen. Dem gegenüber erfolgte die Konsultation nach der Schilderung der Beklagten und ihres Streithelfers lediglich wegen psychischer Probleme.

Im Juli 2007 begab sich die Klägerin wegen des sukzessiven Auftretens von Schmerzen, Taubheit und Frostbeulen an den Fingern der rechten Hand zunächst zu ihrem Hausarzt und dann zu einem Dermatologen, ehe schließlich ein Gefäßchirurg am 27.7.2004 ein weitreichenden Verschluss der Arteria brachialis diagnostizierte. Dieser Befund wurde am 28.7.2004 radiologisch bestätigt. Deshalb kam es am 30.8.2004 zu einer Bypass-Operation, bei der sich eine Verstopfung nicht nur der Arteria brachialis, sondern auch der Arteria radialis sowie Thromben in der Arteria axillaris ergaben.

Für diese Entwicklung macht die Klägerin die Beklagten gesamtschuldnerisch verantwortlich. Sie hat den Vorwurf unzureichender Aufklärung vor der Katheteruntersuchung, deren fehlerhafter Durchführung, weil ein Zugang über den Arm in ihrer Situation nicht hätte gewählt werden dürfen, und diagnostischer Versäumnisse nach dem Eingriff erhoben. In der Folge sieht sie sich dauerhaft geschädigt. Sie habe gravierende Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im rechten Unterarm und in der Hand. Die Beweglichkeit sei erheblich beeinträchtigt, so dass sie nur beschränkt arbeitsfähig sei. Vor diesem Hintergrund hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines mit wenigstens 15.000 EUR bezifferten Schmerzensgeldes und einer den Ausgleich vorprozessualer Anwaltskosten betreffenden materiellen Ersatzleistung von 480,12 EUR sowie die Feststellu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?