Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Arzthaftung für Arterienverletzung bei Angiographie; 500 EUR Schmerzensgeld für verzögerte Krisenintervention
Leitsatz (amtlich)
1. Ob der Zugang für eine Herzkatheteruntersuchung über das rechte oder linke Bein gewählt wird, muss der Arzt auch mit einem Berufkraftfahrer nicht erörtern, wenn dessen linkes Bein einen erheblichen Vorschaden aufweist, der unvertretbare Risiken birgt.
2. Vor einer Angiographie der Herzgefäße ist es nicht geboten, den genauen Verlauf der arteria femoralis superficialis zu ermitteln oder das Gefäß vor der Punktion freizulegen. Eine Verletzung der Arterie im Rahmen einer Herkatheteruntersuchung indiziert keinen ärztlichen Behandlungsfehler.
3. Dass ein Femostop nahezu 6 Stunden mit einem Druck von 165 mmHg und dann für eine weitere Stunde mit einem Druck von 140 mmHg angelegt wurde, ist nur dann ein haftungsrelevanter Fehler, wenn ein Missverhältnis zu den systolischen Blutdruckwerten entsteht. Fehlt dafür jeder Anhalt im klinischen Bild, lässt sich weder aus einem Kontrollversäumnis noch aus einem Dokumentationsmangel ein Ersatzanspruch herleiten.
4. War ein Patient nach einer Herzkatheteruntersuchung mit erheblicher Verletzung eines Blutgefäßes durch die Verzögerung der Diagnose und Reaktion auf den Zwischenfall ca. einen halben Tag vermeidbaren Belastungen ausgesetzt (Schmerzen, Taubheitserscheinungen, Gehbehinderung und Ängste) erscheint ein Schmerzensgeld von 500 EUR angemessen.
Normenkette
BGB §§ 253, 276, 278, 280, 611, 823, 831
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 28.01.2009; Aktenzeichen 5 O 453/04) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Trier vom 28.1.2009 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des Vollstreckungsbetrags abwenden, soweit nicht der vollstreckende Teil Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wurde am 5.6.2001 mit dem Verdacht auf eine koronare Erkrankung im Krankenhaus des Beklagten zu 1) aufgenommen. Dort waren die Beklagten zu 2) und zu 3) als Ärzte und die Beklagte zu 4) als Schwester tätig. Am 6.6.2001 fand um 10.00 Uhr eine Herzkatheteruntersuchung statt, die der Beklagte zu 2) vornahm. Der Katheter wurde über die rechte Leiste eingeführt. Dabei kam es zu einer mehrfachen Perforation der Arteria femoralis superficialis und nach dem Vorbringen des Klägers auch der Arteria profunda femoris. Um 17.10 Uhr wurde der zur Kompression der Einstichstelle verwandte Femo-Stop durch einen Druckverband ersetzt. Ob man begleitend dazu den Puls kontrollierte, ist streitig. Für 22.25 Uhr weisen die Krankenunterlagen einen - nicht weiter spezifizierten - unauffälligen Fußpuls rechts aus.
Am 7.6.2001 wurde der Fußpuls um 7.00 Uhr erneut geprüft. Später auskultierte der Beklagte zu 3) die Punktionsstelle mit negativem Befund. Dann wurde der Kläger aus dem Krankenhaus entlassen, obwohl er dem Beklagten zu 3) und schließlich auch der Beklagten zu 4) von Taubheitsgefühlen im rechten Bein berichtete. Zu all dem gibt es keine weitere Dokumentation.
Veranlasst durch seine Ehefrau, die über seinen Zustand beunruhigt war, kehrte der Kläger alsbald in das Krankenhaus zurück und mahnte eine Untersuchung durch den Beklagten zu 3) an. Dieser stellte um 15.00 Uhr fest, dass am rechten Fußknöchel praktisch kein Puls vorhanden war. Daraufhin wurde eine Doppler-Sonographie der rechtsseitigen Beinarterien durchgeführt. Wann das geschah, ist nicht festgehalten; der Kläger hat 18.00 Uhr angegeben. Man fand thrombotisches Material in der distalen Arteria poplitea. Der Knöchelblutdruck wurde mit 80 mmHg gemessen.
Dieser Befunderhebung folgte ein operativer Eingriff nach. Dessen Beginn ist vom Kläger auf 20.00 Uhr und von den Beklagten - unter Hinweis auf eine Belegung des Operationssaals zu diesem Zeitpunkt - auf 23.00 Uhr datiert worden. Im Narkoseprotokoll wurde ein Anästhesieverlauf von 19.50 Uhr bis 23.00 Uhr vermerkt. Der Operationsbericht vermittelte als Erkenntnis:
"Es zeigt sich, dass ... die ... Seitenwand der Arteria femoralis superficialis komplett durch den koronarangiographischen Einstich zerrissen ist. Zusätzlich eine zweite Punktionsstelle ca. 3 mm tiefer im Gefäß sowie zwei Ausdünnungen im Bereich der Hinterwand bei Zustand nach Punktion. Es erfolgt ... Thrombektomie aus der Arteria femoralis superficialis. Hier zeigen sich ... mehrere Thromben bis 6 cm Länge. Nach Thrombektomie guter Rückstrom ... Der Rückstrom aus der Arteria profunda femoris ist sehr gut. Hier lässt sich kein thrombotisches Material gewinnen ... Die Unterschenkelgefäße sind jetzt wieder durchgängig ... Es wird das defekte Stück der Arteria femoralis superficialis ... reseziert und ein Interponat ... durchgeführt."
Postoperativ zeigten sich die Beinarterien unauffällig. Der Kläger wurde am 13.6.2001 endgültig aus d...