Entscheidungsstichwort (Thema)
Notarhaftung
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt eine fahrlässige Verletzung der Belehrungspflichten des Notars vor (hinsichtlich der Unwirksamkeit einer unbefristeten Fortgeltungsklausel - Angebot zum Erwerb einer ETW), so scheidet ein Ersatzanspruch aus, wenn für das Gericht feststeht, dass der Vertrag in gleicher Weise auch bei ordnungsgemäßer Belehrung geschlossen worden wäre. Indizien hierfür ergeben sich aus zuvor getroffenen finanziellen Dispositionen (u.a. Darlehensaufnahme) sowie den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des ETW-Erwerbs (gute Kapitalanlage, vorteilhafte Mieten, Steuervorteile usw.).
2. Bei dem geltend gemachten Schaden (voller Kaufpreis der ETW gegen Übereignung, Übergabe derselben) müssen im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung auch die erzielten Vermögensvorteile (Mieten, Steuervorteile etc.) berücksichtigt werden.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 2 O 154/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29.03.2019, Az. 2 O 154/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Notar wegen Pflichtverletzungen bei der Beurkundung eines notariellen Kaufvertrages Schadensersatz.
Der Kläger ließ, nachdem er zuvor bereits den zur Finanzierung notwendigen Darlehensvertrag geschlossen hatte, aus dem sich nach dem Abrufen des Darlehens für ihn eine monatliche Verpflichtung in Höhe von 775,67 EUR ergab, am 04.04.2008 von dem Notar Dr. Su in K ein Angebot zum Abschluss eines Wohnungseigentumskaufvertrages beurkunden. Ziffer I. dieses Angebotes enthielt eine sogenannte Fortgeltungsklausel und lautete wie folgt:
"Ich mache hiermit der F Gesellschaft mbH & Co. KG, das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages mit nachstehendem Inhalt.
Ich halte mich an das Angebot unwiderruflich bis zum Ablauf des 02.05.2008 gebunden. Während der Dauer der Bindungsfrist kann das Angebot von dem Anbietenden einseitig weder widerrufen noch inhaltlich abgeändert werden. Zur Wirksamkeit des Vertrages ist lediglich erforderlich, dass die Annahmeerklärung vor Ablauf der Annahmefrist vor einem Notar abgegeben wird, nicht dagegen der Zugang der Annahmeerklärung an den Anbietenden innerhalb der Frist.
Mit Ablauf der Frist erlischt das Angebot nicht. Der Anbietende kann nach Ablauf der unwiderruflichen Frist jederzeit den Angebotsempfänger auffordern, innerhalb einer Frist von 1 Woche das Angebot anzunehmen. Nach ergebnislosem Fristablauf kann der Anbietende das Angebot gegenüber dem Angebotsempfänger widerrufen. Fristsetzung und Widerruf bedürfen der Schriftform. Bis zum Widerruf kann das Angebot angenommen werden."
Gegenstand des Kaufvertrages sollte ein im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts W von F auf Blatt 3146 verzeichnetes Wohnungseigentum mit einer Fläche von etwa 83 qm sein, das als Teil einer Wohnungseigentumsgemeinschaft an die Bundesrepublik Deutschland (Bundesfinanzverwaltung) zu einer monatlichen Kaltmiete von 6,44 EUR pro qm vermietet war. Das Mietverhältnis war befristet bis zum 31.05.2013. Die Wohnung wurde durch die britischen Streitkräfte genutzt. Tatsächlich dauerte das Mietverhältnis bis zum Dezember 2015 an. Der Kaufpreis sollte 130.000,00 EUR brutto, mithin 109.243,70 EUR netto, betragen. Der Kläger erhielt aufgrund der Vermietung die Umsatzsteuer von der Finanzverwaltung zurückerstattet. Das Angebot des Klägers wurde am 23.07.2008 von der Adressatin, der Firma F, angenommen. An diesem Tag beurkundete der Beklagte, Rechtsanwalt und Notar in N, die Annahmeerklärung und leitete, wie in dem Vertragsangebot des Klägers vorgesehen, die Abwicklung des Vertrages ein. Der Kläger zahlte den Kaufpreis und wurde ins Grundbuch eingetragen.
Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beklagte für eine Vielzahl von Objekten der Firma F nicht nur die Ankaufsverträge, sondern auch die sogenannte Verweisungsurkunde gefertigt habe. Er habe ohne rechtfertigenden Grund den Kaufvertrag in ein Angebot und in eine Annahmeerklärung geteilt. Das so von dem Beklagten vorbereitete Angebot sei entweder von ihm selbst oder einem anderen Notar beurkundet worden. Der Beklagte hätte aufgrund der Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel am 23.07.2008 die Beurkundung der Annahmeerklärung ablehnen müssen. Jedenfalls sei der Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger auf die Unwirksamkeit seiner Angebotserklärung hinzuweisen. Bei einem solchen Hinweis hätte er, der Kläger, von dem Erwerb der Wohnung abgesehen. Da der Beklagte auch die jeweiligen Ankaufsverträge der Firma F beurkundet habe, sei ihm bekannt gewesen, dass diese die Wo...