Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Testaments; Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob in der Formulierung "wenn nicht alles klar ist vor meinem Tode" gleichwohl eine testamentarische Anordnung zu sehen ist.
2. Ein Vorausvermächtnis kann bei testamentarischer Zuweisung eines Hausgrundstücks nur angenommen werden, wenn der Bedachte wertmäßig begünstigt werden sollte. Lässt sich das nicht feststellen, handelt es sich um eine bloße Teilungsanordnung, die unter den Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB unbeachtlich ist.
Normenkette
BGB §§ 1939, 2048, 2064, 2066, § 2147 ff., §§ 2148, 2306 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LGbad Kreuznach vom 25.2.2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Leis tung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des je weils beizutreibenden Betrages abwenden, es sei denn der Beklagte leistet eine entsprechende Si cherheit.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Geschwister und alleinige Erben ihrer im September 2000 verstorbenen Mutter. Sie streiten, ob ein Testament der Erblasserin vom 17.1.1984 ein Vermächtnis zugunsten der Klägerin oder eine bloße Teilungsanordnung enthält.
Die Mutter hatte mit dem Vater der Parteien 1955 einen Ehevertrag geschlossen. Darin ist Gütergemeinschaft vereinbart worden. Zum gemeinsamen Vermögen der Eheleute gehörte u.a. ein Hausgrundstück in E., das zuvor Alleineigentum der Mutter war. Der Vater der Parteien starb 1968. Er wurde von seiner Ehefrau zu ¼ und von den Parteien des Rechtsstreits zu je 3/8 beerbt. Die drei Erben sind als Miteigentümer des Hausgrundstücks in E. im Grundbuch eingetragen. Die Erbengemeinschaft am Nachlass des Vaters bestand fort, als die Mutter in ihrem Testament u.a. erklärte, es sei ihr Wunsch, dass man der Klägerin das Haus in E. gebe. Am 28.9.2000 starb die Mutter.
Die Klägerin meint, im Testament der Mutter vom 17.1.1984 sei ihr das Haus in E. vermacht worden. Dementsprechend sei der Beklagte verpflichtet, ihr den Grundbesitz zu Alleineigentum zu übertragen.
Der Beklagte hat erwidert, es handele sich um eine Teilungsanordnung, die nahezu den gesamten Nachlass erschöpfe und daher nach § 2306 BGB unbeachtlich sei.
Das LG hat Zeugenbeweis erhoben und hiernach die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestehe kein Anhalt, dass die Erblasserin eines ihrer beiden Kinder bevorzugen wollte. Der im Testament geäußerte Wunsch könne daher nicht als Vermächtnis angesehen werden.
Mit der Berufung wiederholt die Klägerin ihren Antrag auf Übertragung des Grundstücks zu Alleineigentum. Allerdings will sie eine Ausgleichszahlung leisten im Hinblick auf die eigene dingliche Berechtigung des Beklagten. Die Auslegung des Testaments und die Aussage der Zeugin St. ergebe, dass die Erblasserin die Klägerin bevorzugen wollte. Daher handele es sich um ein Vermächtnis.
Der Beklagte hält die Entscheidung des LG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen und dabei die testamentarische Anordnung der Mutter als bloße Teilungsanordnung angesehen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Das zweiseitige, von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und unterschriebene Schriftstück ist in zwei Abschnitte gegliedert. Bei den im ersten Abschnitt getroffenen Anordnungen handelt es sich zweifelsfrei um eine Verfügung von Todes wegen. Die Erblasserin hat Bestimmungen über die Gestaltung ihrer Todesanzeige, der Beisetzung und der Trauerfeier getroffen.
Diese Anordnungen sind von der Erblasserin unterschrieben worden; sodann hat sie in einem neuen Absatz weitere Anordnungen getroffen. Da diese Anordnungen mit dem Satz beginnen
"Wenn nicht alles klar ist vor meinem Tode macht wie Geschwister es unter sich machen in Ehre ..."
kann bezweifelt werden, ob es sich bei den Bestimmungen im zweiten Absatz überhaupt um eine Verfügung von Todes wegen handelt. Was die Erblasserin hier regeln wollte, ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung ergibt, dass das LG - ebenso wie die Parteien - auch den zweiten Absatz zu Recht als Verfügung von Todes wegen angesehen hat. Der Formulierung
"Wenn nicht alles klar ist vor meinem Tode ..."
lag offenbar die Vorstellung der Erblasserin zugrunde, dass eine lebzeitige Verfügung über ihr Vermögen jedwede Anordnung von Todes wegen überflüssig mache. Daher verbietet sich die Annahme, die Erblasserin habe im zweiten Absatz wegen des missverständlichen Einleitungssatzes eine Bestimmung getroffen, die nur zu ihren Lebzeiten gelten sollte. Auch insoweit liegt eine Verfügung von Todes wegen vor.
Der Wunsch der Erblass...