Leitsatz (amtlich)
Kommt es zu einem Unfall eines Arbeiters einer Wartungsfirma auf einem fremden Betriebsgelände, so kann der Wartungsvertrag zwischen den beiden Firmen Schutzwirkung zu Gunsten des eingesetzten Arbeiters entfalten.
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber für die Sicherheit seiner Arbeiter verantwortlich (§ 8 ArbSchG).
a) Der Arbeitgeber, auf dessen Betriebsgelände Arbeiter einer dritten Firma eingesetzt werden, hat nach § 8 Abs. 2 ArbSchG die Pflicht, sich zu vergewissern, dass diese fremden Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber die erforderlichen arbeitsschutzrechtliche Hinweise, Belehrungen erhalten haben.
b) Über klar erkennbare Gefahren muss nicht aufgeklärt, vor diesen nicht gewarnt werden. Sind bei einer Hallenbegehung die aus Plexiglas bestehenden Lichtbänder im Deckenbereich klar erkennbar, so muss nicht auf die nicht sichere Begehbarkeit dieser Bereiche nochmals hingewiesen werden.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 4 O 320/16) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 05.02.2018, Az. 4 O 320/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen.
3. Diese und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt nach einem Unfall auf dem Betriebsgelände der Beklagten, bei dem er schwer verletzt wurde, von der Beklagten Schmerzensgeld.
Der Kläger ist Angestellter der Streithelferin der Beklagten, der Firma Brandschutzservice GmbH. Die Beklagte, die Rollläden herstellt, schloss am 21.01.2005 mit der Streithelferin einen Vertrag über die turnusmäßige Wartung und Instandhaltung der Rauch- und Wärmeabzugsanlage (RWA-Anlage) an dem Betriebsgebäude der Beklagten. Seither führen Mitarbeiter der Streithelferin einmal jährlich die Wartungsarbeiten aus. Am 06.08.2013 sollte der Kläger mit einem Kollegen diese Wartungsarbeiten im Betrieb der Beklagten durchführen. Der Kläger war zuvor nicht bei Wartungsarbeiten in dem Betrieb der Beklagten eingesetzt worden. Der Kläger und sein Kollege wurden von dem Betriebsleiter der Beklagten empfangen und ihnen wurde die zu prüfende RWA-Anlage in der Halle gezeigt. Der Kläger prüfte zunächst die RWA-Anlage im Inneren der Lagerhalle. Sodann begab er sich mit Hilfe einer Leiter ohne Absturzsicherung auf das Dach der Halle, um dort die Thermoventile der Anlage zu überprüfen. Das Dach der Lagerhalle besteht als Profilblechen, die von nicht trittsicheren Lichtbändern aus Plexiglas durchbrochen sind. Der Kläger trat auf dem Dach auf eines dieser Lichtbänder und stürzte etwa 9 m tief in die Halle, wo er auf den Asphaltboden aufschlug und sich schwerste Verletzungen zuzog.
Der Kläger hatte auf Veranlassung der Streithelferin im Jahr 2006 an einem Grund- und Aufbaulehrgang zu RWA-Anlage teilgenommen und im Jahr 2012 außerdem an einem Seminar zu persönlichen Sicherungssystemen. Gegenstand der Seminare waren jeweils auch Gefahren bei Arbeiten auf Dächern.
Der Kläger hat vorgetragen, dass es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe, ihn auf die mit den nicht trittsicheren Lichtbändern auf dem Dach verbundenen Gefahren hinzuweisen. Diese Pflichten ergäben sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbschG) und den Unfallverhütungsvorschriften. Außerdem sei der Wartungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzusehen. Auch daraus ergäben sich entsprechende Schutzpflichten. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Auf dem Dach selbst seien die Lichtbänder nicht von den Profilblechen zu unterscheiden; der Kläger sei zudem bei der Begehung von der Sonne geblendet worden.
Bei dem Sturz habe er sich unter anderem eine Fraktur des Oberschenkels und des Armes, einen Beckentrümmerbruch, einen Kiefertrümmerbruch und eine Fraktur des Jochbeins zugezogen. Er sei in ein künstliches Koma versetzt worden und habe 13 Tage auf der Intensivstation liegen müssen. Noch heute befinde er sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, sei auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen und müsse Krankengymnastik machen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle vergangenen und alle zu künftigen Schäden, die ihm infolge des Arbeitsunfalls vom 06.08.2013 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder sonstige Dritte überg...