Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbswidrige Softwaregestaltung für Arztpraxen
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; MBO § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 8.11.2005 wird zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird dieses Urteil wie folgt gefasst:
1. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen, bei ihrer für Ärzte bestimmten Praxissoftware ein Programmmodul zu integrieren, durch das direkt aus der Praxissoftware Voucher für die Versandapotheke D., die zur Weitergabe an den Patienten bestimmt sind, ausgedruckt werden können.
2. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern der Komplementär-GmbH, angedroht.
II. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Der Verfügungskläger begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, in die von ihr entwickelte Software für Arztpraxen ein Modul zum Drucken von Vouchern für die Versandapotheke D. zu integrieren. Mit der Bereitstellung dieser Funktionalität verleite die Verfügungsbeklagte die Ärzte wettbewerbswidrig zu einem Verstoß gegen das in § 34 Abs. 5 der Hessischen Berufsordnung für Ärzte sowie den gleich lautenden Bestimmungen der anderen Landesberufsordnungen geregelte Verbot, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen.
Mit dem Update zur Software vom 15.7.2005 integrierte die Verfügungsbeklagte ein Programmmodul, durch das direkt aus der Praxissoftware heraus ein Voucher für die Versandapotheke D. gedruckt werden kann.
Die in die Software integrierte Anwenderinformation hierzu lautet wie folgt:
"Helfen Sie Ihren Patienten beim Sparen! Mit diesem Update ist es Ihnen möglich, die Vorteile Europas größter Versandapotheke D. direkt und einfach per Gutscheindruck an Ihre Patienten weiterzugeben.
- 50 %ige Ersparnis der gesetzlichen Zuzahlung
- Treuebonus von 3 EUR für privat Versicherte
- Rezeptfreie Arzneimittel bis zu 30 % günstiger
- Keine Zusatzkosten für Versand und Porto
Nutzen Sie die Möglichkeiten und aktivieren Sie jetzt die Versandapotheken-Funktion. Ihre Patienten werden es Ihnen danken."
In der dem Update außerdem beigefügten Werbe- und Informationsbroschüre heißt es darüber hinaus:
"Helfen Sie Ihren Patienten beim Sparen. Überzeugen Sie sie von den Vorteilen, die Europas größte Versandapotheke bietet. Und nicht vergessen: Bitte machen Sie Ihre Patienten darauf aufmerksam, dass sie nur bei Einsendung des Rezeptes zusammen mit dem Gutschein in den Genuss der vollen Exklusiv-Vorteile kommen. Sie erhalten so neben der Hälfte der Zuzahlung, dem Treuebonus und preisgünstigen, rezeptfreien Arzneimitteln zusätzlich das Briefporto erstattet und werden versandkostenfrei beliefert. Ihre Patienten werden es Ihnen danken."
"Die neue Funktion 'Versandapotheke' bietet Ihnen neben der einfachen Handhabung gute Argumente beim Dialog mit Ihren Patienten bezüglich Praxisgebühr, Zuzahlung und Festbetragsdifferenz. Nutzen Sie diesen Weg der Kundenbindung und tun Sie Ihren Patienten etwas Gutes. Überzeugen Sie sie von einer Bestellung bei Europas größter Versandapotheke und tragen Sie so zur Kostenentlastung des deutschen Gesundheitssystems und des Portemonnaies Ihrer Patienten bei."
Darüber, ob mit dem Button "Rezeptverarbeitung über Versandapotheke" der Arzt die Rezepte auch direkt an D. weitergeben kann, streiten die Parteien.
Mit Urteil vom 8.11.2005, auf das zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, hat das LG die Verfügungsbeklagte antragsgemäß dazu verurteilt, es zu unterlassen, bei ihrer für Ärzte bestimmten Praxissoftware ein Programmmodul zu integrieren, durch das direkt aus der Praxissoftware Voucher für die Versandapotheke D. die zur Weitergabe an den Patienten bestimmt sind, ausgedruckt und/oder die Rezepte direkt an die Versandapotheke weitergegeben werden können, sofern ein hinreichender Grund zur Verweisung der Patienten an diese Apotheke nicht gegeben ist.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung.
Sie trägt wiederholend und ergänzend vor, dass Versandkosten bei einer Bestellung bei D. auch ohne Nutzung des Vouchers nur dann entstünden, wenn nicht mehr als ein rezeptfreies Medikament erworben werde, das zudem weniger als 40 EUR koste. Zudem habe D. ihr ggü. erklärt, anders als dem Informationsmaterial zu entnehmen sei eine versandkostenfreie Belieferung des Patienten bei Nutzung des Vouchers nur bei der ersten Bestellung des jeweiligen Patienten vorgesehen. Die Verfügungsbeklagte weist weiter darauf hin, dass die in dem dem Update beigefügten Flyer enthaltenen Werbeaussagen - unstreitig - nicht von ihr, sondern von D. stammten. Im Übrigen...