rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung nach § 43 GmbHG. Grob fahrlässig verursachter Verkehrsunfall durch GmbH-Geschäftsführer
Leitsatz (amtlich)
Der Geschäftsführer einer GmbH hat in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Er haftet der Gesellschaft für einen Schaden an einem von ihm geführten Firmenwagen jedenfalls dann, wenn ihm grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Grob fahrlässig handelt, wer eine Geschwindigkeit von zwischen 170 und 220 km/h fährt und dabei telefoniert.
Normenkette
GmbHG § 43
Beteiligte
C GmbH, vertreten durch die Geschäftsführerin Heidrun B |
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 11 O 542/96) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 30. September 1997 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.413,97 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen
aus 28.764 DM seit dem 2. Juli 1996 und aus weiteren 649,97 DM seit dem 21. Januar 1997.
Wegen des erstinstanzlich weitergreifenden Zinsbegehrens bleibt die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die klagende GmbH begehrt Schadensersatz, weil ein geleastes Firmenfahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde, den der später verstorbene Ehemann der Beklagten (im folgenden: Erblasser) verursacht haben soll. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Erblasser war Geschäftsführer der Klägerin. Am 28. August 1994 befuhr er gegen 19.25 Uhr mit dem vollkaskoversicherten Firmenwagen Jaguar die A 48 in Richtung Koblenz. Nachdem der hinterherfahrende Zeuge P vergeblich versucht hatte, zu überholen, leitete der Erblasser wenig später in einer langgezogenen Rechtskurve wegen eines vermeintlich auf die Überholspur wechselnden PKWs eine Vollbremsung ein, geriet ins Schleudern, prallte gegen die Leitplanke und letztlich gegen das vorausfahrende Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn. Dadurch entstand an dem Leasingfahrzeug ein Gesamtschaden von 58.177,97 DM.
Die Kaskoversicherung weigerte sich, den Schaden zu ersetzen. Denn der Erblasser habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Die Geschwindigkeit sei weit überhöht gewesen; außerdem habe er sein Handy für ein Telefongespräch benutzt.
Nachdem die Klägerin gegen die Kaskoversicherung Klage erhoben hatte (24 O 319/95 LG Köln), kam es zu einer außergerichtlichen Einigung, wonach die Versicherung die Hälfte des Schadens ersetzte. Der Rest ist Gegenstand der vorliegenden Klage.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Erblasser habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Er hafte nach § 43 GmbHG.
Dem hat die Beklagte widersprochen. Ein grob fahrlässiges Fehlverhalten sei nicht gegeben. Im übrigen müßten auf den Geschäftsführer einer GmbH bei Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr die im Arbeitsrecht anerkannten Haftungsbeschränkungen bei gefahrgeneigter Arbeit Anwendung finden. Letztlich habe die Klägerin den Prozeß gegen die Kaskoversicherung pflichtwidrig nicht weiterbetrieben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Schaden sei bei einer unternehmensbezogenen Tätigkeit entstanden. Demzufolge habe sich hier ein betriebliches Risiko verwirklicht, für das der Geschäftsführer einer GmbH – von Vorsatz abgesehen – nicht hafte. Die Klägerin sei im Verhältnis zur Beklagten auch verpflichtet gewesen, den Prozeß gegen den Kaskoversicherer fortzuführen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Der Erblasser sei mit mehr als 170 km/h viel zu schnell gefahren. Der konkrete Anlaß der Fahrt sei unerheblich. Denn die allgemeinen Verkehrsvorschriften seien stets zu beachten. Aus den für Arbeitnehmer anerkannten Haftungsbeschränkungen bei gefahrgeneigter Arbeit könne für den GmbH-Geschäftsführer nichts hergeleitet werden.
Die Beklagte erwidert, ihrem verstorbenen Ehemann sei für das Geschäftsjahr 1994 Entlastung erteilt worden. Die Schadensersatzforderung der Klägerin sei daher präkludiert. Der strenge Haftungsmaßstab des § 43 GmbHG könne bei Unfällen im öffentlichen Straßenverkehr nicht zugrunde gelegt werden. Der Vorwurf, der Erblasser habe grob fahrlässig gehandelt, entbehre einer beweismäßig gesicherten Grundlage. Denn er sei nicht schneller als 140 km/h gefahren
Beweis: Sachverständigengutachten
und habe auch nicht telefoniert. Ein Restschaden sei der Klägerin nur verblieben, weil sie den Prozeß gegen den Kaskoversicherer nicht weiterbetrieben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat die Bußgeldakten 8012 Js 3492/95 – OWi – Staatsanwaltschaft Trier zu Beweiszwecken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf den Inhalt dieser Akten wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Landgericht hat die Klage – vom weitergreifenden Zinsbegehren erster Instanz abgeseh...