Leitsatz (amtlich)
"Tuning" als Gefahrerhöhung; Leistungsfreiheit kommt auch dann in Betracht, wenn die mit dem Tuning verbundenen technischen Veränderungen nicht als solche unmittelbar unfallursächlich sind, aber nach den Gesamtumständen von einem unfallursächlichen Einfluss auf das Fahrverhalten des Fahrzeuglenkers auszugehen ist (hier: Riskantes Fahrmanöver eines jugendlichen Fahrers - nicht Repräsentant - unter Alkoholeinfluss).
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 22.12.2005; Aktenzeichen 4 O 79/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mainz vom 22.12.2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil vom 12.4.2005 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, hat der Kläger zu tragen, ausgenommen sind die Kosten der Säumnis erster Instanz, die der Beklagte zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Versicherungsverein Leistung aus einer Fahrzeugvollversicherung.
Er war Halter und Eigentümer eines Pkw Marke Audi 80 Cabrio, der bei dem Beklagten vollkaskoversichert war, wobei eine Selbstbeteiligung des Klägers je Schadensfall von 332 EUR vereinbart wurde.
Der Kläger hatte an dem Fahrzeug folgende Veränderungen vorgenommen bzw. vornehmen lassen:
- Veränderung der Bereifung (215/45 ZR 17 auf Felgen real 7,5 J 17 H 2 ET 35)
- Spurverbreiterung durch Distanzringe von 10 mm Dicke an der Vorderachse und 15 mm Dicke an der Hinterachse
- Leistungssteigerung durch Öttinger-Bausatz von 66 kW- auf 81 kW-Motorleistung
- Tieferlegung des Fahrwerks.
Am Sonntag, dem 6.6.2004, erlitt das Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall Totalschaden.
Der Kläger hatte das Fahrzeug seinem Sohn zum Gebrauch überlassen. Dieser unternahm mit seinem Bekannten, U.M., eine Fahrt. Nachdem der Sohn des Klägers und U.M. alkoholische Getränke zu sich genommen hatten - eine spätere Untersuchung ergab für U.M. bezogen auf den Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 0,85 o/oo, für den Sohn des Klägers eine solche von 1,26 o/oo - überließ der Sohn des Klägers die Führung des Fahrzeuges U.M. Gegen 23.20 Uhr fuhren beide aus Richtung L. auf der L. in Richtung E. Dort kam es zu einem schweren Unfall, der dadurch ausgelöst wurde, dass U.M. während der Fahrt die Handbremse des Fahrzeugs anzog, woraufhin dieses ins Schleudern geriet und von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug überschlug sich. Während der Sohn des Klägers nur leichtere Verletzungen erlitt, waren diejenigen von U.M. so schwer, dass er diesen noch an der Unfallstelle erlag.
Auf Grund des Unfalles erlitt das Fahrzeug des Klägers einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 12.000 EUR. Der Restwert beläuft sich auf 2.222 EUR.
Auf Antrag des Klägers hat das LG am 12.4.2005 gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil erlassen, wodurch diese verurteilt wurde, an den Kläger 9.446 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.3.2005, dem Zustellungszeitpunkt der Klageschrift, zu zahlen.
Gegen das zugestellte Versäumnisurteil hatte der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Im Einspruchstermin hat der Kläger die Auffassung vertreten, ihm stünde der begehrte Leistungsanspruch gegen den Beklagten zu, da ihm das Verhalten seines Sohnes im Zusammenhang mit dem Unfall unter versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten (Repräsentantenstellung) nicht zuzurechnen sei. Darüber hinaus habe sein Sohn auch nicht grob fahrlässig gehandelt. Ein Leistungsausschluss folge auch nicht aus den vorgenommenen Veränderungen am Fahrzeug, selbst wenn infolge dieser Veränderungen die Betriebserlaubnis erloschen sei. Das Unfallereignis stehe mit diesen Veränderungen in keinem ursächlichen Zusammenhang.
Der Kläger hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 12.4.2005 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 12.4.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Sohn des Klägers sei zum Unfallzeitpunkt als Repräsentant des Klägers anzusehen gewesen, so dass dessen Verhalten dem Kläger im Rahmen des Versicherungsvertragsverhältnisses zugerechnet werden müsse. Der Sohn des Klägers habe grob fahrlässig gehandelt. Schließlich sei er auch von einer Leistungspflicht deshalb frei geworden, weil an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen worden seien, die zum Erlöschen der Betriebserlaubnis geführt hätten.
Die 4. Zivilkammer des LG Mainz hat mit Urteil vom 22.12.2005 das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Das LG vertritt die Auffassung, dass sich der Beklagte vorliegend nicht mit Erfolg auf eine Leistungsfreiheit berufen könne. Unabhängig von der Repräsentantenfrage liege bereits keine grobe Fahrlässigkeit i.S.v. § 61 VVG durch den Sohn des Klägers vor. Der Umstand, dass der Sohn des Klägers das streitbefangene Fahrzeug seinem alkoholisierten Freund überlassen habe, stelle keine schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinne grober Fahrlässigkeit dar.
Eben...