Leitsatz (amtlich)
1. Der Einbau eines anderen Fahrzeugmotors und die anschließende Benutzung des versicherten Fahrzeugs durch den Versicherungsnehmer stellt eine beachtliche Gefahrerhöhung in der Fahrzeug-Kaskoversicherung dar, wenn die Leistung des neuen Motors - hier: 298 kW anstelle von 179 kW - und die daraufhin erzielbare Höchstgeschwindigkeit die des früheren Zustandes erheblich übersteigt.
2. Die Verletzung der Gefahrstandspflicht ist grob fahrlässig, wenn - was gesetzlich vermutet wird - der Versicherungsnehmer durch einfachste Überlegungen hätte erkennen können, dass die von ihm vorgenommene oder gestattete Änderung den Eintritt des Versicherungsfalles generell wahrscheinlicher macht. Diese Vermutung wird hier nicht dadurch widerlegt, dass der Einbau eines erheblich leistungsstärkeren, das Betriebs- und das Unfallrisiko offenkundig erhöhenden Motors nach Darstellung des Versicherungsnehmers durch eine "Fachfirma" erfolgte, diese ihn weder auf das Erlöschen der Betriebserlaubnis noch auf die Notwendigkeit einer Anzeige der Veränderung hingewiesen hat und im Rahmen einer anschließenden Hauptuntersuchung eine Prüfplakette erteilt wurde.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 14 O 139/16) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Juni 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 139/16 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.299,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit seiner am 15. Juli 2016 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Kaskoentschädigung aus einer Fahrzeugversicherung wegen eines Verkehrsunfallereignisses vom 1. Oktober 2015 in Anspruch genommen.
Der Kläger unterhielt damals bei der Beklagten eine seit dem Jahr 2008 bestehende Kraftfahrtversicherung mit eingeschlossener Vollkaskoversicherung (Versicherungsschein-Nr. ..., Anlage K1) für das Fahrzeug Chevrolet Corvette C4 Cabrio, Erstzulassung: 5. Juli 1988 mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer ...; die vereinbarte Selbstbeteiligung in der Vollkaskoversicherung betrug 300,- Euro. Bestandteil des Vertrages waren die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB, Stand: 1. Mai 2008). Bei dem versicherten Fahrzeug handelt es sich um ein Liebhaberfahrzeug, das der Kläger seit 1. Januar 1998 im Besitz hat, als Hobby unterhält und umfangreich zu einem Einzelstück umbauen ließ; u.a. wurden die Motorhaube verändert, Getriebe und Differenzial erneuert, das Fahrzeug verfügt über eine Sportabgasanlage, alle diese Veränderungen einschließlich Reifen und Felgen ließ er amtlich eintragen. Bei Vertragsbeginn verfügte das Fahrzeug über einen Motor mit einem Hubraum von 5.627 ccm und einer Leistung von 179 kW (= 243 PS), der bereits eine schnelle Beschleunigung und hohe Geschwindigkeiten ermöglichte, aber sehr reparaturanfällig war. Im März 2015 ließ der Kläger auf entsprechenden Rat durch eine Firma R. in Luxemburg, die auf das Tuning von US-Fahrzeugen spezialisiert ist, einen neuen Motor mit einer Leistung von 298 kW (= 405 PS) einbauen, in der Folgezeit wurde das Fahrzeug wegen Problemen am Motor wiederholt von der Firma beim Kläger abgeholt. Am 1. Oktober 2015 befuhr der Kläger gegen 16.37 Uhr in Saarbrücken den Tunnel des Hauptbahnhofs, wobei er wegen regen Verkehrs nur mit angepasster Geschwindigkeit fahren konnte. Als er das Fahrzeug vor der am Ende des Tunnels befindlichen Ampel verkehrsbedingt abbremsen wollte, rutschte er vom Bremspedal auf das Gaspedal, wodurch das Fahrzeug beschleunigte und an die Wand des Tunnels fuhr. Ein nach der Anzeige des Versicherungsfalles von der Beklagten eingeholtes Sachverständigengutachten des Sachverständigenbüros St. vom 16. November 2015 ermittelte unfallbedingte Reparaturkosten in Höhe von 23.248,88 Euro. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab mit der Begründung, das ihr nach dem Unfall bekannt gewordene Motor-Tuning stelle eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VVG dar, die der Kläger schuldhaft nicht angezeigt habe.
Der Kläger hat zur Begründung seiner auf Ersatz des gutachterlich ermittelten Schadensbetrages (23.248,88 Euro) abzüglich der Selbstbeteiligung (300,- Euro) sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (1.242,84 Euro) gerichteten Klage behauptet, er habe erstmals einen neuen Motor einbauen lassen und sei von der Firma R. nicht darauf hingewiesen worden, dass er diesen in die Fahrzeugpapiere eintragen lassen müsse. Mit der Firma hätten in Gegenwart seines Bruders drei Gespräche stattgefunden, dabei sei kein Hinweis auf das Eintragungserfordernis erfolgt, er habe auch nicht gewusst, dass dies nicht geschehen sei und dass er dies der Beklagten hätte anzeigen müssen. Zu dem Motortausch sei ihm geraten worden, weil der frühere Motor Probleme bereitet habe und nicht mehr...