Leitsatz (amtlich)
Ein gerichtlicher Hinweis muss inhaltlich klar sein und Gelegenheit geben, das Vorbringen sachdienlich zu ergänzen. Hieran fehlt es, wenn nur auf das Vorliegen einer "offenen Teilklage" hingewiesen wird, ohne die hieraus im konkreten Fall vom Gericht gezogene Schlussfolgerung auf eine Unzulässigkeit der Klage sowie die Möglichkeiten bzw. Erfordernisse zur Behebung des der Zulässigkeit der Klage entgegenstehenden Hindernisses anzusprechen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 30.09.2015; Aktenzeichen 8 O 173/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Koblenz vom 30.9.2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des H. Vergütung und Schadensersatz aus einem VOB/B-Bauvertrag.
Der Insolvenzschuldner betrieb ein Metallbauunternehmen und wurde im Oktober 2010 durch die Beklagte mit Metallbauarbeiten an einem Bauvorhaben in N. beauftragt. Die Werkleistung wurde nur teilweise ausgeführt. Während der Vertragsausführung kam es zur Kündigung des Bauvertrages durch die Beklagte.
Der Kläger hat erstinstanzlich zur Begründung seines auf Zahlung von 45.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2012 gerichteten Klage auf einen Werklohnanspruch in Höhe von 8.869,00 EUR sowie einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 47.903,50 EUR verwiesen. Er hat erklärt, er beschränke seine Ansprüche auf den eingeklagten Betrag.
Ergänzend hierzu haben die Parteien erstinstanzlich über den Umfang der Beauftragung und der Leistungsausführung durch die Insolvenzschuldnerin gestritten. Der Kläger hat ferner angeführt, ihm stehe ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Behinderung der Leistungsausführung durch die Beklagte zu. Hingegen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Hindernisse bei der Leistungsausführung seien auf ein Fehlverhalten der Insolvenzschuldnerin zurückzuführen, weshalb ihr eigene Schadensersatzansprüche zustünden, hinsichtlich derer sie die Aufrechnung gegen die Klageforderung erkläre. Zur Begründung hat der Kläger im Verlauf der ersten Instanz eine Schlussrechnung (Anlage K16) vorgelegt.
Das LG hat im Verhandlungstermin am 2.9.2015 darauf hingewiesen, "dass eine offene Teilklage vorliegen dürfte". Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 10.9.2015 hat der Kläger darauf verwiesen, dass er seine Forderungen auf Vergütung und Schadensersatz auf einen Betrag von 45.000,00 EUR beschränkt habe. Dies sei als Verzichtserklärung zu verstehen. Darüber hinaus bezeichnet er die geltend gemachten Ansprüche betragsweise ihrer Reihenfolge nach und beantragte die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (Schriftsatz vom 10.9.2015; Bl. 71 f. GA).
Das LG hat die Klage abgewiesen, da es sich um eine unzulässige offene Teilklage handele. Der Kläger habe eine Spezifizierung, wie sich die Klagesumme auf die geltend gemachten Werklohn- und Schadensersatzansprüche verteile, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgenommen. Sein Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7.9.2015 sei nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO komme nicht in Betracht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung unter Weiterverfolgung seines erstinstanzlichen Zahlungsbegehrens in Höhe von 45.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2012 mit dem ergänzenden Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das LG zurückzuverweisen. Das LG habe die Verzichtserklärung hinsichtlich des über 45.000,00 EUR hinausgehenden Umfangs seiner Ansprüche vernachlässigt. Zudem sei der in der mündlichen Verhandlung erteilte Hinweis verspätet erfolgt, weshalb auf die Erklärung in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hätte erfolgen müssen. Insoweit wird ergänzend auf die Berufung/Berufungsbegründung vom 23.10.2015 (Bl. 97 ff. GA) verwiesen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LG (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).
1. Das landgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler.
Die Beurteilung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist vom materiellen-rechtlichen Standpunkt des Erstrichters aus vorzunehmen (vgl. Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 538 Rn. 8 m.w.N.). Danach war das LG nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gehalten, die mündliche Verhandlung auf den Schriftsatz des Klägers vom 10.9.2015 wiederzueröffnen. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob eine Verpflichtung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bereits aus einer Berücksichtigungspflicht des nicht nachgelassenen Schriftsatzes aufgrund d...