Leitsatz (amtlich)
Beanstandet der Kläger nach Anhörung des Sachverständigen in einem nachgelassenen Schriftsatz das Unterlassen konkret benannter Befunderhebungsmaßnahmen, kann dieses Vorbringen nicht durch die vorangegangene Äußerung des Sachverständigen, weitere (unbenannte) Befunderhebungsmaßnahmen seien "nicht weiter hilfreich" gewesen, als entkräftet angesehen werden.
Ob ein Radiologe die CT-Aufnahme behandlungsfehlerhaft ausgewertet hat und dies gegebenenfalls als grober Behandlungsfehler zu bewerten ist, ist unter Hinzuziehung eines radiologischen Sachverständigen zu klären. Die Ausführung eines neurochirurgischen Sachverständigen können hierfür grundsätzlich nicht herangezogen werden.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 02.07.2015; Aktenzeichen 1 O 10/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 2.7.2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt immateriellen und materiellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden nach einem neurochirurgischen Eingriff.
Die Klägerin stellte sich seit Juni 2011 bei dem Beklagten zu 1) ambulant wegen Rückenschmerzen und leichten Dysästhesien im Fußbereich vor. Es erfolgte zunächst eine konservative Therapie. In der Folge diagnostizierte der Beklagte zu 1) eine spinale Stenose im Bereich L4/L5. Nach entsprechendem Aufklärungsgespräch, dessen Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, sollte eine operative Versorgung mit einer mikrochirurgischen spinalen Dekompression im Krankenhaus der Beklagten zu 2), in dem der Beklagte zu 1) verantwortlicher Leiter der Unterabteilung Neurochirurgie der Abteilung Chirurgie ist, erfolgen. Kurz vor der Durchführung des geplanten Eingriffs wurde bei der Klägerin ein Gleitwirbel entdeckt, weshalb eine Erweiterung der Operation hinsichtlich der Durchführung einer Wirbelkörperverblockung erfolgen sollte. Auch insofern fand zwischen den Parteien ein Gespräch statt, dessen Inhalt streitig ist.
Am 28.11.2011 wurde die Klägerin bei der Beklagten zu 2) stationär aufgenommen, wobei ein Behandlungsvertrag mit der Klinik sowie eine Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen wurden. Der operative Eingriff erfolgte durch den Beklagten zu 1) und Dr. R. als Operateure. Anschließend konnte die Klägerin weder stehen noch laufen. Am Folgetag schilderte sie, kein Gefühl in den Beinen zu haben. Am 29.11.2011 erfolgte daher ein CT innerhalb der Klinik der Beklagten zu 2), das von einem bei ihr beschäftigten Radiologen ausgewertet wurde. Nach der Beanstandung von Gefühlsstörungen im Dammbereich durch die Klägerin am 30.11.2011 wurde eine MRT-Untersuchung angemeldet, die am 1.12.2011 in einem Krankenhaus in L. stattfand und vom dortigen Radiologen ausgewertet wurde. Am 3.12.2011 erfolgte eine Revisionsoperation, die erneut vom Beklagten zu 1) und Dr. R. vorgenommen wurde. In der Folgezeit befand sich die Klägerin ab 9.12.2011 in der stationären Behandlung der... Klinik B. zum Zwecke der Rehabilitation.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die standardwidrige Durchführung der Operation, die Verursachung eines inkompletten Cauda-Syndroms sowie dessen unzureichende befundmäßige Abklärung und verspätete Nachbehandlung beanstandet. Aus ihrer Sicht hätten aufgrund der Beschwerden nach dem operativen Eingriff unverzüglich Befunderhebungsmaßnahmen erfolgen müssen. Zudem sei eine sofortige nochmalige Revisionsoperation indiziert gewesen. Schließlich sei dem Eingriff eine unzureichende Aufklärung hinsichtlich der Risiken sowie der Mitwirkung von Dr. R. vorausgegangen. Hiervon ausgehend hat die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld in einer Mindesthöhe von 50.000,00 EUR, die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung der Einstandspflicht für alle weiteren Schäden beansprucht.
Die Beklagten haben dem insbesondere entgegengehalten, die Klägerin sei eingehend durch den Beklagten zu 1) über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden. Insoweit berufen sie sich auf die hierzu gefertigten und von der Klägerin unterzeichneten Aufklärungsformulare sowie auf die unter Zeugenbeweis gestellte Aufklärungsübung. Dabei sei auch die Durchführung des operativen Eingriffs unter Mitwirkung von Dr. R. besprochen worden.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie die erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 2.7.2015 verwiesen (Bl. 281 ff. d.A.).
Das sachverständig beratene LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, die Klägerin habe weder eine fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten zu 1) noch durch einen Radiologen der Beklagten zu 2) nachgewiesen. Der operative Eingriff sei indiziert gewesen und standardgerecht ausgeführt w...