Entscheidungsstichwort (Thema)

Enteignungsentschädigung und Verzinsungspflicht. Private Straßen-/Wegeparzelle

 

Leitsatz (amtlich)

›1. Wird ein und der selbe Verwaltungsakt (Enteignungsbeschluss) von verschiedenen Beteiligten mit eigenen Anträgen angegriffen, dann liegt nach § 221 Abs. 3 BauGB der Fall der gesetzlichen Verbindung mit einheitlicher Verhandlung und Entscheidung vor.

2. Wird eine private Grundstücksfläche seit 1932 durchgängig als Wege-/Straßenparzelle rechtswidrig in Anspruch genommen, liegt ein enteignungsgleicher Eingriff vor, der dann auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes (Art. 14 GG) über Art. 153 Weimarer Reichsverfassung zu einem Entschädigungsanspruch führt. Die Verzinsung der zu leistenden Entschädigung (Beginn und Höhe) kann sich in diesem Fall an den aus § 99 Abs. 3 BauGB ableitbaren allgemeinen Entschädigungsgrundsätzen orientieren.‹

 

Normenkette

BauGB §§ 99, 221

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 14.11.2005; Aktenzeichen 1a O 3/05 Baul)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beteiligten zu 1) wird das am 14.11.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Kammer für Baulandsachen - des LG Koblenz (1a O 4/05 Baul) abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Der Enteignungsbeschluss der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 15.12.2004 (Aktenzeichen 442-01-01-04/04) wird in Ziff. V. neu gefasst:

Die Antragstellerin (Beteiligte zu 2) hat den unter Ziff. III und IV jeweils festgesetzten Entschädigungsbetrag für die Zeit vom 1.1.1932 (Zeitpunkt der Inanspruchnahme als öffentliche Verkehrsfläche) bis zum 11.4.2002 mit 2 % über dem jeweils gültigen Diskontsatz der Reichsbank, Deutschen Reichsbank und der Deutschen Bundesbank und ab dem 12.4.2002 mit 2 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich zu verzinsen.

Der Antrag der Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung (1a O 4/05 Baul.) wird insoweit zurückgewiesen.

Die Berufung des Beteiligten zu 1) gegen das am 14.11.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Kammer für Baulandsachen - des LG Koblenz (1a O 3/05 Baul.) wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits (Verfahren 1 U 1761/05 Baul. sowie 1 U 1762/05 Baul.) tragen die Beteiligte zu 2) 81 % und der Beteiligte zu 1) 19 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) trägt diese selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1), Miteigentümer verschiedener Grundstücksflächen, die als öffentliche Wegefläche (Waldburgstraße) genutzt werden, wendet sich gegen einen Enteignungsbeschluss der Beteiligten zu 3) (LG Koblenz - 1a O 3/05 Baul.).

Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu 1) und 2). verfügte die Beteiligte zu 3) mit Enteignungsbeschluss vom 15.12.2004 die Enteignung der Wege-Grundstücke des Antragstellers und setzte gleichzeitig die Entschädigungsleistung fest. Durch diese Enteignung sollte im Wege einer "Rechtsbereinigung" nach Aufstellung rechtsverbindlicher Bebauungspläne die jeweilige Straßenfläche (W.-Straße) der öffentlichen Hand, hier der Beteiligten zu 2), rechtlich zugeordnet werden. In dem Enteignungsbeschluss vom 15.12.2004 war eine Verzinsung der Entschädigungssumme ab dem 1.1.1932, dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Grundstücke als öffentliche Verkehrsfläche angeordnet. Gegen diese weit in die Vergangenheit rückwirkende Verzinsung wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung in dem vor dem LG getrennt geführten Verfahren LG Koblenz - 1a O 4/05 Baul.

Der Beteiligte zu 1) hat die streitgegenständlichen Grundstücke im Jahre 1967 zu (Mit-)Eigentum erworben und hierfür den damals üblichen Preis für Baugrundstücke gezahlt.

Der Beteiligte zu 1) verfolgt in erster Linie das Ziel der Aufhebung des Enteignungsbeschlusses und begründet dies vor allem damit, dass eine Enteignung nicht erforderlich sei; Baumaßnahmen an der Straße, die über eine Ausbesserung der Fahrbahn hinausgingen, widersprächen auch dem Interesse der Anwohner wie auch denen der öffentlichen Hand.

Die Beteiligte zu 2) wendet sich vor allem gegen die Verzinsung des Entschädigungsbetrages ab 1.1.1932 und begründet dies vor allem mit der fehlenden Rechtsgrundlage vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes sowie der fehlenden Forderungsinhaberschaft für die Zeit vor Ankauf der Grundstücke durch den Beteiligten zu 1).

Das LG hat in den beiden getrennt geführten Verfahren hinsichtlich des einheitlich ergangenen Enteignungsbeschlusses vom 15.12.2004 den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Aufhebung des Enteignungsbeschlusses zurückgewiesen und auf Antrag der Beteiligten zu 2) die Verzinsungspflicht - zeitlich - eingeschränkt.

Gegen diese beiden Entscheidungen richtet sich die jeweilige Berufung des Beteiligten zu 1), mit der er in erster Linie die Aufhebung des Enteignungsbeschlusses und hilfsweise die Festsetzung eines Zinslaufes ab dem 1.1.1932 anstrebt.

Die Beteiligte zu 2) beantragt - nach Verbindung beider Verfahren durch den Senat -, die Berufung des Antragstellers zu 1) insgesamt zurückzuweisen.

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