Leitsatz (amtlich)
Zur (ergänzenden) Auslegung einer vor dem 1.11.2008 erklärten Rangrücktrittserklärung des Gesellschafters einer GmbH für ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen, wenn der Rangrücktritt "bis auf Widerruf" erklärt ist, der Widerruf jedoch (wie es nach den vor dem 1.11.2008 geltenden Rechtsprechungsregeln des BGH zum Ausschluss der Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen ohnehin der Fall war) ausgeschlossen sein soll, wenn dadurch ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag entsteht.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen 3 HK O 169/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 1.3.2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 269.311,77 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr seit dem 19.2.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung zweier Gesellschafterdarlehen.
Der Kläger, der heutige Geschäftsführer der Beklagten ... [A] und ein weiterer Gesellschafter gründeten im Jahre 1998 die Beklagte. Zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit der Beklagten nahm der Kläger einen rückzahlbaren Zuschuss des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen des Modellvorhabens "Institutsunterstützte Unternehmensgründungen" i.H.v. 150.000 DM (= 76.693,78 EUR) in Anspruch. Auf den Bewilligungsbescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 19.11.1998 wird Bezug genommen (Anlage K2). Des Weiteren nahm der Kläger bei der Sparkasse ... [X] ein von der ... [B]bank aus Mitteln des ERP-Sondervermögens refinanziertes ERP-Eigenkapitalhilfedarlehen i.H.v. 340.600 DM (= 174.146,01 EUR) auf. Auf den Darlehensvertrag vom 19.1.1999 wird Bezug genommen (Anlage K3).
Anschließend schloss der Kläger mit der Beklagten, vertreten durch ihn und ... [A] als Geschäftsführer, zwei inhaltlich gleichlautende, undatierte Darlehensverträge, in denen der Kläger der Beklagten die vorgenannten Beträge zur Verfügung stellte. Die Beklagte verpflichtete sich, im Innenverhältnis alle Rechte und Pflichten aus den vom Kläger gegenüber dessen Gläubigern eingegangenen Verpflichtungen zu übernehmen und termingerecht alle Zins- und Tilgungsleistungen unmittelbar gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz bzw. der ... [B]bank zu erfüllen. Ziff. 5 und 6 des jeweiligen Darlehensvertrags lauten wie folgt:
"5. Die Rückzahlung des [Zuschusses/Darlehens] wird fällig mit Ablauf des Dienstverhältnisses des [Klägers], mit der Beendigung der Geschäftsführerfunktion des [Klägers] und mit dem Ausscheiden des [Klägers] als Gesellschafter aus der [Beklagten].
6. Die Rückzahlung des [Zuschusses/Darlehens] wird bei bestimmungsfremder Verwendung durch [die Beklagte] sofort fällig".
Auf den weiteren Inhalt der Darlehensverträge wird Bezug genommen (Anlagen K5, K6). Die undatierten Darlehensverträge waren von der Steuerberaterin der Beklagten, der ... [C] GmbH, vorbereitet und dem Kläger mit Schreiben vom 6.7.2000 übersandt worden (Anlage K4; im Folgenden deshalb: Darlehensverträge vom 6.7.2000). Der Mitgesellschafter ... [A] stellte der Beklagten Darlehen in ähnlicher Höhe zur Verfügung.
In der Folgezeit bediente die Beklagte die vom Kläger zur Verfügung gestellten Darlehen zunächst vereinbarungsgemäß durch Zahlungen an dessen Gläubiger.
Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 8.7.2002 gab der Kläger eine vom Steuerberater ... [C] vorbereitete Rangrücktrittserklärung hinsichtlich der beiden von ihm gewährten Darlehen ab, die auszugsweise wie folgt lautet:
"Hinsichtlich der Rückzahlung der Darlehen durch die Gesellschaft erkläre ich hiermit bis auf Widerruf einen Rangrücktritt mit der Folge, dass andere Verbindlichkeiten der Gesellschaft bevorzugt bedient werden können. Ein Widerruf des Rangrücktrittes ist ganz oder teilweise ausgeschlossen, wenn dadurch ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag entsteht".
Auf den weiteren Inhalt der Erklärung wird Bezug genommen (Anlage K7).
Der Mitgesellschafter ... [A] erklärte einen gleichlautenden Rangrücktritt für die von ihm zugunsten der Beklagten gewährten Darlehen.
In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Kläger und dem Mitgesellschafter ... [A]. Die Beklagte bediente die vom Kläger gewährten Darlehen nach dem 30.9.2006 nicht mehr.
Im November 2006 berief die Gesellschafterversammlung der Beklagten den Kläger als Geschäftsführer ab und kündigte seinen Anstellungsvertrag fristlos; auf das Protokoll vom 24.11.2006 wird Bezug genommen (Anlage B1 = GA 26 ff.).
In der Folgezeit führten die Parteien Verhandlungen hinsichtlich der Übertragung der Geschäftsanteile des Klägers auf den...