Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren die Parteien eines notariellen Wohnungskaufvertrages, der Anteil an der "nach Angaben" in näher genannter Höhe bestehenden Instandhaltungsrücklage sei "im Kaufpreis enthalten", liegt darin keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
2. Der Umstand, dass die Instandhaltungsrücklage Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, spricht gegen die Annahme, der Verkäufer einer Eigentumswohnung wolle mit der Angabe einer bestimmten Höhe seines Anteils an der Instandhaltungsrücklage zu einem vor dem Beurkundungszeitpunkt liegenden Stichtag die Gewährleistung für das Vorhandensein der Rücklage bei Gefahrübergang übernehmen.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 28.06.2022; Aktenzeichen 1 O 196/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 28.06.2022, Az. 1 O 196/21, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 31.530,46 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - um Schadensersatz wegen einer Instandhaltungsrücklage.
Mit Urkunde vom 03.06.2019 des Notars G mit Amtssitz in H (UR-Nr. 499/2019 M; Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 10 ff. eGA-LG) erwarb die Klägerin das darin näher bezeichnete Wohnungseigentum von dem Beklagten unter "Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels". In § 3 der Urkunde ist unter anderem geregelt: "Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt nach Angaben zum 10.05.2019 EUR 31.530,46, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über." Auf dem - einzigen - Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft befand sich zum 10.05.2019 ein Betrag von 52.550,76 EUR, wobei der Anteil des streitgegenständlichen Wohnungseigentums an der zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft von 597/1.000 rechnerisch einem Betrag von 31.530,46 EUR entspricht. Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Verwendung des auf dem Konto vorhandenen Geldes lag zum Beurkundungszeitpunkt nicht vor.
Die von dem Beklagten beauftragte Maklerin hatte der Klägerin zuvor ein Exposé mit Stand 01.05.2019 (Anlage K 3, Bl. 48 ff. eGA-LG) übergeben, in dem es auf Seite 10 unter anderem heißt:
"Anstehende Investitionen:
Dachsanierung ca. 30.000 EUR; Rücklagen vorhanden
Reparatur Freitreppe bzw. Geländer Freitreppe; Rücklagen vorhanden.
Rücklagen Hausverwalterkonto:
ca. 50.000,00 EUR per 08-2017 - derzeit geparkt für o.g. anstehende Investitionen".
Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten unter anderem die Zahlung eines Betrages von 31.530,46 EUR verlangt und zur Begründung vorgetragen, sie sei aufgrund des Exposés und der vertraglichen Vereinbarungen davon ausgegangen, dass dieser Betrag als Instandhaltungsrücklage vorhanden sowie beim Verkauf eingepreist worden sei und für die erforderliche Sanierung des Daches zur Verfügung stehe. Tatsächlich handele es sich bei dem auf dem WEG-Konto vorhandenen Betrag nicht um eine Instandhaltungsrücklage, sondern dieser resultiere aus Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen und werde zur weiteren Schadensbeseitigung benötigt; für die Dachsanierung könne er nicht verwendet werden.
Der Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, mit dem in der notariellen Urkunde als Instandhaltungsrücklage angegebenen Betrag hätten die Parteien in untechnischer Weise dasjenige Guthaben gemeint, welches sich bei Abschluss des Kaufvertrages auf dem WEG-Konto befunden habe und rein rechnerisch auf den Beklagtenanteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft entfallen sei. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich bei der Regelung unter § 3 des Notarvertrages um dieses Guthaben des WEG-Kontos gehandelt habe, das auf die Klägerin habe übertragen werden sollen. Es handele sich bei diesem Geld aus rechtlicher Sicht auch um eine Instandhaltungsrücklage, da die Wohnungseigentümergemeinschaft vorhandene Gelder auf dem gemeinschaftlichen Konto zur Instandhaltung des Wohnungseigentums verwende und die vorhandene Summe seinerzeit nicht zweckgebunden gezahlt worden sei.
Das Landgericht hat den Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme (s. dazu Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 04.04.2022, Bl. 218 ff. eGA-LG) unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 31.530,46 EUR gemäß §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, die Kaufsache sei mangelhaft gewesen, da die Parteien bei entsprechender Auslegung des ...