rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageänderung im nachgelassenen Schriftsatz
Leitsatz (amtlich)
Ändert der Kläger in einem nachgelassenen Schriftsatz die Klage, indem er vom vollen Werklohnanspruch auf den Anspruch aus § 649 BGB übergeht, so muss der Richter, will er den Anspruch aus § 649 BGB materiell prüfen, die mündliche Verhandlung wiedereröffnen.
Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen vom Maß der Darlegung des darlegungspflichtigen Gegners ab (BGHZ 12/50; NJW 93, 1782; 95, 3311).
Normenkette
ZPO §§ 263, 283, 156
Beteiligte
Verfahrensgang
LG Trier (Entscheidung vom 14.10.1998; Aktenzeichen 4 O 48/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 14. Oktober 1998 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der Kläger führte für den Beklagten an dessen Bauvorhaben in Trier-Pfalzel Bauarbeiten durch.
Mit der Klage, der das Landgericht entsprochen hat, hat der Kläger Werklohn in Höhe von DM 21.990,30 geltend gemacht. Den Sachvortrag des Beklagten und die daraus hergeleiteten Gegenrechte hat das Landgericht als unbeachtlich angesehen.
Mit der Berufung wendet der Beklagte im Wesentlichen ein, die Klageforderung sei nach wie vor nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger, der seine unvollendeten Arbeiten nicht mehr erbringen wolle, habe Schlussrechnung zu legen. In der Klageerwiderung habe er die Mängel der erbrachten Leistungen im Einzelnen aufgezeigt und unter Beweis gestellt. Das Gericht habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass diese, ebenso wie die Höhe des Schadens, nicht hinreichend substantiiert dargetan seien. Durch Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung habe ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, zum Schriftsatz des Klägers vom 7.10.1998 Stellung zu nehmen.
Der Kläger tritt dem Vorbringen des Beklagten zu den einzelnen Mängeln detailliert entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze der Parteien.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat einen vorläufigen Erfolg.
Das erstinstanzliche Verfahren und das hierauf beruhende Urteil leiden an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Sie sind daher aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 539 ZPO).
Das Landgericht hat unter Verletzung seiner Aufklärungs- und Hinweispflichten (§ 139 ZPO) die gebotene Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung unterlassen (§ 156 ZPO) und überraschend der Klage zu einem Zeitpunkt stattgegeben, in dem die Parteien sich nur sehr unvollständig zu den erheblichen Tatsachen erklärt hatten. Das wird auch durch das Berufungsvorbringen der Parteien deutlich, mit dem neu und umfangreich zum Zustandekommen des Auftrags, zum Auftragsumfang, zur Arbeitsabwicklung und zu Gegenrechten Stellung genommen wird. Der Senat erachtet es nicht als sachdienlich (§ 540 ZPO), selbst zu entscheiden und den Parteien damit eine Tatsacheninstanz vorzuenthalten.
Im Einzelnen:
Die Vorschrift des § 539 ZPO, die eine Ausnahme von der Verpflichtung zu der dem Berufungsgericht in § 537 ZPO aufgegebenen erneuten vollständigen Verhandlung und Entscheidung der Sache enthält, ist eng auszulegen. Ob ein wesentlicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens vorliegt, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des erstinstanzlichen Richters aus zu beurteilen. Sein Standpunkt zu Anforderungen an Schlüssigkeit und Substantiierungslast ist hinzunehmen, auch bei der Frage, ob die richterliche Hinweis- und Fragepflicht verletzt ist (BGH NJW 1997, 1447).
Dennoch war hier – auch unter Berücksichtigung des Standpunkts des Landgerichts – die mündliche Verhandlung zwingend wiederzueröffnen.
Der Einzelrichter hat gesehen, dass der Schriftsatz des Klägers vom 7.10.1998 Sachvortrag enthielt, mit dem Vorbringen aus der Klageschrift weiter substantiiert und auf Behauptungen des Beklagten in der Klageerwiderung detailliert eingegangen wurde. Er hat erkannt, dass entscheidungserhebliches Vorbringen in diesem Schriftsatz zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zwingt, jedoch gemeint, dies sei nicht notwendig, weil das Vorbringen des Klägers in dem nachgelassenen Schriftsatz unberücksichtigt bleiben könne (54 GA). Dies ist nicht zutreffend, weil sich die angefochtene Entscheidung dann doch in maßgeblichen Erwägungen auf dieses Vorbringen des Klägers stützt.
Mit der Klagebegründung, die gerade soeben noch den Anforderungen des § 253 ZPO genügt, hat der Kläger in wenigen Sätzen behauptet, seine Werkleistung ordnungsgemäß erbracht zu haben. Der Beklagte habe diese abgenommen und verweigere die Zahlung der fälligen Vergütung. Zur Darlegung der Arbeiten hat er auf Rechnungskopien verwies...