Leitsatz (amtlich)
Gegenüber dem nachehelichen Anspruch ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gem. § 1581 BGB durch den sogenannten „billigen” Selbstbehalt begrenzt. Dieser beläuft sich regelmäßig auf den Mittelbetrag zwischen notwendigem und angemessenem Selbstbehalt eines Erwerbstätigen, somit für das Jahr 2001 auf 1.800 DM und ab Januar 2002 auf 920 Euro.
Eine Herabsetzung auf den notwendigen Selbstbehalt kommt nur in Betracht, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ähnlich hilflos ist, wie ein minderjähriges Kind, was dann anzunehmen ist, wenn der Unterhaltsberechtigte wegen Betreuung eines minderjährigen Kindes an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert ist, oder wenn der Eigenbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen den notwendigen Selbstbehalt nicht übersteigt.
Lebt der Unterhaltsschuldner mit einer Lebensgefährtin zusammen, die zu den Kosten der gemeinsamen Lebensführung beiträgt, ist der Selbstbehalt um mindestens 150 Euro zu kürzen.
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Aktenzeichen 8 F 394/01) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - FamG - Bingen am Rhein vom 20.12.2001 auf die Anschlussberufung der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Urteil des OLG Koblenz vom 7.4.1987 – 11 UF 901/86 – wird mit Wirkung vom 1.7.2001 dahingehend abgeändert, dass der Kläger nur noch folgenden Ehegattenunterhalt an die Beklagte zu zahlen hat:
vom 1.7.2001 bis zum 12.9.2001 monatlich 203,82 Euro (398,64 DM)
vom 13.9.2001 bis zum 31.12.2001 monatlich 117,34 Euro (229,50 DM) und
ab 1.1.2002 monatlich 117,30 EUR.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 3/5 dem Kläger und zu 2/5 der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, während der Anschlussberufung ein Teilerfolg beschieden ist.
Für den Zeitraum bis einschließlich 12.9.2001 ist die Anschlussberufung bereits deshalb begründet, weil das Urteil des 11. Zivilsenates des OLG Koblenz vom 7.4.1987 gem. § 323 Abs. 3 ZPO nur für die Zeit nach Erhebung der Klage abgeändert werden darf. Erhoben war die Klage mit Zustellung an die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13.9.2001 (§ 261 Abs. 1 ZPO). Gemäß § 536 ZPO a.F. ist die Änderung des Urteils des FamG allerdings auf den in der Anschlussberufung genannten Betrag beschränkt.
Ab 13.9.2001 führt die Klage zu einer Herabsetzung des im Urt. v. 7.4.1987 auf 490 DM festgesetzten Unterhalts, weil die für die Verurteilung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse sich wesentlich geändert haben (§ 323 Abs. 1 ZPO). Da jedoch diese Änderung der Verhältnisse keine Herabsetzung auf den vom FamG angenommenen Betrag von 200 DM rechtfertigt, hat die Anschlussberufung auch insoweit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
Im Urteil vom 7.4.1987 war der Beklagten ein Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 Abs. 2 BGB zugesprochen worden. An dessen Stelle ist nunmehr ein Anspruch auf Altersunterhalt (§ 1571 BGB) getreten, nachdem der Beklagten seit Eintritt in das Rentenalter am 30.5.2001 eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. Außerdem haben sich die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB) im Hinblick darauf geändert, dass beide Parteien nunmehr anstelle des früheren Erwerbseinkommens Renten beziehen.
Der Senat stellt die Renteneinkünfte der Beklagten in die Differenzmethode ein. Soweit es sich hierbei um die aus einer früheren Erwerbstätigkeit erwirtschaftete Rente handelt, folgt dies bereits daraus, dass es sich insoweit um die normale Fortentwicklung der eheprägenden Verhältnisse handelt; auch im Urteil vom 7.4.1987 war das (allerdings fiktive) Erwerbseinkommen der Beklagten im Wege der Differenzmethode in die Berechnung einbezogen worden. Soweit die Rente der Beklagten auf dem bei Ehescheidung durchgeführten Versorgungsausgleich beruht, handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des BGH gleichsam um ein Surrogat für ihre Haushaltsführung in der Ehe und ist daher ebenfalls als eheprägendes Einkommen in die Bedarfsbemessung einzubeziehen (BGH, Urt. v. 31.10. 2001 – XII ZR 292/99, MDR 2002, 153 = BGHReport 2002, 60 = NJW 2002, 436 ff.; so auch schon der erkennende Senat OLGKoblenz, Urt. v. 26.9.2001 – 9 UF 535/00, OLGReport Koblenz 2002, 9).
Im Wege der Anrechnungsmethode sind bedarfsdeckend – fiktive – Zinseinkünfte aus der nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers der Beklagten Ende 2000 zugefallenen Erbschaft von rund 20.000 DM zu berücksichtigen. Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte bei einer langfristigen Anlage dieses Kapitals Zinsen i.H.v. 3,5 % p. a. erzielen könnte, das sind jährlich 700 DM (rund 360 EUR). Soweit der Kläger die Beklagte darauf verweisen will, auch den Stamm dieses Vermö...