Leitsatz (amtlich)

Werden wegen eines fehlenden OP-Berichts erstmals in der mündlichen Verhandlung medizinische Sachzusammenhänge durch die Anhörung der Behandlungsseite zum Hergang des Eingriffs thematisiert, auf die der Kläger als Laie nicht unmittelbar reagieren kann, ist dessen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Stellungnahme zu berücksichtigen und die mündliche Verhandlung erforderlichenfalls wiederzueröffnen.

Fehlt es an einem OP-Bericht und beanstandet der Kläger den ausgeführten Eingriff, muss unter Hinzuziehung eines Sachverständigen geklärt werden, welchen Inhalt und Umfang ein Operationsbericht für den vorgenommenen Eingriff haben müsste.

Stellt der Kläger seine Rüge einer unzureichenden ärztlichen Aufklärung in einen Zusammenhang zu der aus seiner Sicht unzulänglichen Befunderhebung und der hieraus resultierenden Möglichkeit einer anderweitigen Behandlung, ist darin der Vorwurf der unterlassenen Aufklärung über Behandlungsalternativen zu sehen.

Die medizinische Bewertung, ob aus konkreten Befundergebnissen eine zutreffende Diagnose abgeleitet wurde, ist Gegenstand des Sachverständigenbeweises; der Vernehmung eines nachbehandelnden Arztes als Zeuge bedarf es hierzu nicht.

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 4 O 12/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 16. August 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt immateriellen und materiellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit einem operativen Eingriff an seiner linken Hand.

Nach einem Sturz Mitte Dezember 2013 suchte der Kläger am 2. Januar 2014 die ambulante Notaufnahme des Krankenhauses ... in T. auf. Es kam zur Diagnose einer Prellung der linken Hand. Am 10. Januar 2014 begab er sich wegen persistierender Schmerzen und Sensibilitätsstörungen in der linken Hand zur Beklagten zu 1). Drei Tage später suchte er den Neurologen Dr. A. in T. auf, der nach Durchführung diverser neurologischer Untersuchungen eine neurohandchirurgische Vorstellung des Klägers empfahl (Bl. 30 Anlagenheft). Daraufhin stellte sich der Kläger am 20. und 23. Januar 2014 erneut bei der Beklagten zu 1) vor. Am 23. Januar 2014 kam es dabei zur Aufklärung des Klägers über einen operativen Eingriff wegen eines Karpaltunnelsyndroms durch die Beklagte zu 2). Der Kläger willigte in den Eingriff ein und noch an diesem Tag erfolgte unter Lokalanästhesie der operative Eingriff an der linken Hand mit dem Ziel der Behebung des Karpaltunnelsyndroms.

Postoperativ suchte der Kläger mehrfach die Beklagte zu 1) zur Nachsorge auf. Bei der Untersuchung am 11. Februar 2014 wurde eine auffällige Weißfärbung der Finger 2 bis 4 links festgestellt, woraufhin eine Kernspintomografie der HWS durchgeführt wurde. In der Folgezeit kam es wegen persistierender Beschwerden zu diversen weiteren ärztlichen Konsultationen. Im August erfolgte eine Revisionsoperation durch den Neurochirurgen Dr. D. in D., wobei eine nochmalige Freilegung des Nervus medianus sowie eine Revision des Sehnengewebes bei gleichzeitiger partieller Synvektomie durchgeführt wurden (Bl. 3 f. Anlagenheft). Gleichwohl stellte sich keine Beschwerdefreiheit ein.

Der Kläger hat erstinstanzlich zur Begründung seiner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000 EUR, materiellen Schadensersatz in Höhe von 1.733,72 EUR sowie die Feststellung der Einstandspflicht für Zukunftsschäden gerichteten Klage angeführt, die präoperative Diagnostik sei unzureichend betrieben worden, weshalb es an der Indikation des operativen Eingriffs an der linken Hand gefehlt habe. Die Operation sei zudem übereilt angegangen worden, da von einem Karpaltunnelsyndrom keine Rede gewesen und am 10. Januar 2014 und 20. Januar 2014 die Behandlung bei der Beklagten zu 1) durch den Neurochirurgen Dr. P. erfolgt sei. Ein Kontakt zur Beklagten zu 2) habe sich erstmals am Operationstag ergeben. Die Operation selbst sei nicht lege artis durchgeführt worden. Insbesondere habe die Beklagte zu 2) keine Oberarmblutsperre angelegt, sei es zu einer Nervenverletzung gekommen, die Bänder im Karpaltunnel seien nicht vollständig durchtrennt und ein unzulänglicher Schnitt durchgeführt worden. Das - unstreitige - Fehlen des OP-Berichts müsse als krasser Dokumentationsfehler angesehen werden. Insgesamt sei er auf der Grundlage einer unzureichenden Diagnostik und Indikationsstellung "überrumpelt" worden. Insofern fehle es auch an einer hinreichenden Aufklärung. Folge der Operation seien gravierende Beeinträchtigungen in Form dauerhafter Schmerzen, Taubheitsgefühle und Funktionseinschränkungen. Auch die zweite Operation sei nur durch die unzulängliche Erstoperation erforderlich geworden.

Die Be...

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