Leitsatz (amtlich)
1. Zu den anwaltlichen Pflichten beim familienrechtlichen Mandat (hier: be-schränkte Weiterverfolgung des Trennungsunterhaltsanspruchs im Beru-fungsverfahren).
2. Der Rechtsanwalt muss - unter Beachtung der einschlägigen unterhalts-rechtlichen Leitlinien - sein besonderes Augenmerk auf die Ermittlung der Lebens- wie der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute richten und sich hierüber, nötigenfalls unter Erzwingung ent-sprechender Auskünfte des Pflichtigen, vorweg Klarheit verschaffen. Nur auf dieser tatsächlichen Grundlage ist der Mandant alsdann nach Beratung und Belehrung zur eigenverantwortlichen (Grund-)Entscheidung über Art und Ausmaß der Unterhaltsforderung befähigt.
3. Zur Darlegung des haftungsrechtlichen Zusammenhang und des Scha-denseintritt (Gesamtvermögensvergleichs) bei der Geltendmachung des sog. Urteilschadens, wenn das Unterhaltsstreitverfahren nicht durch Urteil, sondern nach der Ehescheidung durch einen umfassenden Prozessver-gleich (mit-)erledigt wurde.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, §§ 675, 1361 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 16.06.2011; Aktenzeichen 1 O 73/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 16.6.2011 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 v.H. des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Sozietät wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten aus einem familienrechtlichen Mandat (Trennungsunterhalt) auf Schadensersatz in Anspruch.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), die wie folgt berichtigt und ergänzt werden:
Die seit 1998 im gesetzlichen Güterstand miteinander verheirateten Eheleute lebten seit dem Sommer 2003 voneinander getrennt; der Ehemann zahlte seit August 2004 keinen (Trennungs-)Unterhalt mehr. Die Eheleute, die aus vorangegangenen Ehen jeweils ein - zum Zeitpunkt der Trennung bereits volljähriges und sich in Ausbildung befindliches - Kind hatten, waren im fraglichen Zeitraum je vollschichtig berufstätig, die Klägerin als angestellte Pharmaberaterin und der Ehemann als niedergelassener - selbständiger - HNO-Arzt; sie waren u.a. hälftige Miteigentümer eines Wohnhauses in M. und eines Anwesens in L. (Südfrankreich). Zur Finanzierung des Immobilienerwerbs hatten die Eheleute u.a. gemeinsam einen Anschaffungskredit bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Haus M.) sowie bei der Societé General (Haus L.) aufgenommen (Aufstellung Bl. 283 ff. GA); als "Hauskonto M." bestand ein Gemeinschaftskonto bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, über das sämtliche Ausgaben und Einnahmen für das betreffende Wohnhaus abgewickelt wurden, namentlich auch die Annuitätenzahlung. Das Haus in M. wurde im Sommer 2004 veräußert; es verblieb hier zunächst eine restliche gemeinsame Darlehensschuld.
Der Scheidungsantrag war im September 2003 anhängig gemacht worden; im März 2004 mandatierte die Klägerin die Beklagte zu 2. mit der Fortführung des Scheidungs(verbund-)verfahrens. Die Scheidungsfolgesachen Ehegattenunterhalt und Zugewinnausgleich (Stufenklagen) wurden im Juli respektive Dezember 2004 anhängig gemacht; nachfolgend wurde Klage auf laufenden Trennungsunterhalt ab September 2005 i.H.v. 1.072,50 EUR monatlich nebst Zinsen sowie auf rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum September 2004 bis einschließlich August 2005 i.H.v. 800 EUR monatlich nebst Zinsen erhoben (Urteil des AG - Familiengericht - Mainz vom 29.1.2007; Abschrift Bl. 13 ff. GA). Mit der von der Beklagten zu 2. im Namen der Klägerin eingelegten Berufung (OLG Koblenz - 11 UF 132/07) wurde ein laufender Trennungsunterhalt ab September 2005 i.H.v. 500 EUR monatlich nebst Zinsen sowie ein rückständiger Trennungsunterhalt für den Zeitraum September 2004 bis einschließlich August 2005 i.H.v. insgesamt 6.000 EUR nebst Zinsen weiterverfolgt; zugrunde gelegt wurde insofern ein bereinigtes Nettoeinkommen des Ehemannes für die Jahre 2005 und 2006 i.H.v. durchschnittlich 5.500 EUR monatlich und eine Differenz der beiderseitigen Einkommen zwischen 940 EUR und 1.140 EUR (Abschrift Berufungsbegründung Bl. 22 ff. GA). Nach dem - erneuten - Anwaltswechsel auf die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin stellten diese den Antrag aus der Berufungsschrift mit der Maßgabe, dass der Ehemann ab Oktober 2007 einen Trennungsunterhalt i.H.v. 2.000 EUR zu bezahlen habe (Abschrift Schriftsatz vom 15.10.2007; Bl. 31 ff. GA); zugrunde gelegt wurden ein "Grundeinkommen" des Ehemannes von zumindest 8.500 EUR monatlich und eine Einkommensdifferenz i.H.v. 5.500 EUR.
Vor dem F...