Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftung bei greifbarer richterlicher Fehlleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Versucht eine Familienrichterin zwei Mal eine Ehe durch einen nicht unterschriebenen und sodann durch einen nicht verkündeten Beschluss zu scheiden, so haftet der Dienstherr (Land) für die entstandenen Anwaltskosten, die durch die zwei überflüssigen Beschwerdeverfahren, die jeweils zur Zurückverweisung geführt haben, entstanden sind.
2. Jenseits der Haftung nach § 839 Abs. 2 BGB kann in derartigen Fällen auch eine Haftung der Mitarbeiter der Geschäftsstelle nach § 839 Abs. 1 BGB eingreifen, wenn diese auf erkennbare eklatante rechts-, gesetzwidrige Verfahrensweisen nicht hinweisen.
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen 4 O 170/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.5.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mainz abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 7.614,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.12.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger macht Amtshaftungsansprüche aufgrund eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Scheidungsverfahrens geltend. Zwischen ihm und seiner damaligen Ehefrau lief das Scheidungsverfahren 35 F 208/03 AG Mainz. Die Beteiligten stritten über Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt.
Durch nicht von der Richterin unterzeichneten Beschluss des AG vom 19.4.2012 wurde die Ehe der Beteiligten geschieden, der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Kläger zur Zahlung von Zugewinnausgleich verpflichtet. Auf die Beschwerde der Beteiligten hob das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 20.09.2012 diesen Beschluss auf und verwies das Verfahren zur Beendigung des noch nicht abgeschlossenen Verbundverfahrens an das AG zurück, da weder eine unterschriebene Entscheidung noch ein Protokoll bezüglich der Verkündung der angefochtenen Entscheidung vorlag.
Das AG teilte den Beteiligten die Rückkehr der Akten nicht mit und erließ mit Beschluss vom 18.10.2012 eine Entscheidung, die inhaltlich dem Beschlussentwurf vom 19.4.2012 entspricht. Ein Verkündungsprotokoll befindet sich nicht in der Akte; jedoch wurde mit undatiertem Beschluss Verkündungstermin auf den 18.10.2012 bestimmt. Ausweislich der Vermerke der Geschäftsstelle wurde der undatierte Beschluss zusammen mit dem Beschluss vom 18.10.2012 am 18.10.2012 an die Beteiligten übersandt. Gegen den Beschluss vom 18.10.2012 legten beide Beteiligten Beschwerde ein. Durch Beschluss vom 12.3.2013 hob das Oberlandesgericht Koblenz den Beschluss vom 18.10.2012 auf und wies das Verfahren zur Beendigung des noch nicht abgeschlossenen Scheidungsverfahrens an das AG Mainz zurück. Mangels Existenz eines Verkündungsprotokolls handelte es sich bei der angefochtenen Entscheidung lediglich um einen Beschlussentwurf.
Das familiengerichtliche Verfahren ist inzwischen beendet.
In der Folgezeit verlangte der Kläger die entstandenen Rechtsanwaltskosten für die beiden Beschwerdeverfahren vom beklagten Land. Hinsichtlich des ersten Beschwerdeverfahrens zahlte das beklagte Land 6.584,98 EUR außergerichtlich an den Kläger.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Kosten des zweiten Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für beide Amtshaftungsansprüche.
Das LG hat die Klage in der Hauptsache abgewiesen, da ein Schadenersatz durch das Spruchrichterprivileg nach § 839 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sei. Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat es dem Kläger einen Betrag in Höhe von 650,34 EUR nebst Zinsen zugesprochen, der sich unter Zugrundelegung einer 1,3 Gebühr aus dem bereits vorgerichtlich ersetzten Betrag in Höhe von 6.584,98 EUR errechnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger im Berufungsverfahren mit folgenden Anträgen:
1. Das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 6.594,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. das beklagte Land zu verurteilen, über die erstinstanzlich zugesprochenen 650,34 EUR hinaus weitere 533,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit als vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Er wendet sich gegen die Anwendung von § 839 Abs. 2 BGB im vorliegenden Fall, da nicht Fehler bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung, sondern in der formalen Gestaltung des Verfahrens, somit im schlichten Amtshandeln vorlägen.
Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Es beruft sich auf die zutreffenden Ausführung in der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den wei...