Leitsatz (amtlich)
1. Zum Bestand des Gewährleistungsausschlusses beim Erwerb einer nach intensiver Besichtigung erworbenen Gebrauchtimmobilie, deren baulicher Zustand nach der Übergabe ohne vorangegangene Beweissicherung erheblich verändert wurde.
2. Eine Offenbarungspflicht besteht hinsichtlich solcher Mängel nicht, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind; der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei einer im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1, §§ 444, 446 S. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 30.08.2012; Aktenzeichen 1 O 342/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 30.8.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 v.H. des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt aus eigenem wie abgetretenem Recht ihres Ehemannes von den Beklagten Schadensersatz wegen bestimmter Mängel eines im April 2008 unter Gewährleistungsausschluss erworbenen Hausanwesens in G..
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), die wie folgt ergänzt werden:
Das vollständig unterkellerte Hausanwesen war Anfang der siebziger Jahres des vorigen Jahrhunderts im Auftrag der Beklagten als Eigenheim durch ein Bauunternehmen errichtet und von Fachbetrieben ausgebaut worden. Das zu Wohnzwecken ausgebaute Souterrain (UG) - Einliegerwohnung mit separatem Eingang (Bl. 253 f. GA) - war zeitweilig an (zumindest) eine Mieterin überlassen worden. In einer Bescheinigung des Finanzamts F. vom 2.12.1974 (Bl. 61 GA) heißt es:
Das Wohnhaus der [Beklagten] wurde (...) besichtigt und dabei festgestellt, dass es sich um ein Zweifamilienhaus handelt.
Zum Jahreswechsel 2007/2008 hatten die Beklagten mehrere Maklerbüros mit dem Verkauf ihres Anwesens beauftragt; in einer Webanzeige aus Februar 2008 (Bl. 62 GA) wird das Anwesen als "2-Familien-Bungalow in solider Bauweise" beschrieben.
Die Klägerin und ihr Ehemann, die während der Vorgespräche für den Fall des Hauserwerbs "umfangreiche Umbaumaßnahmen" angekündigt hatten, führten Anfang des Jahres 2008 mehrere Besichtigungen und eingehende Überprüfungen des gesamten Hausanwesens durch; sie wurden dabei zeitweise u.a. vom Cousin des Ehemannes, einem Architekten, sowie von Handwerkern begleitet und beraten. In einem von den Parteien unterschriebenen privatschriftlichen Kauf(vor)vertrag vom 22.2.2008 (Bl. 59 f. GA) heißt es u.a.:
Die [Beklagten] verkaufen das vorbenannte Wohnhaus, das wohnlich durch die ausgebaute Einliegerwohnung vom Finanzamt F. (...) als Zweifamilienhaus eingestuft ist, an die Eheleute [Klägerin und Ehemann] nach Objektprüfung der Bauunterlagen und Besichtigung durch diese (...).
Gemäß Zusage der [Klägerin und Ehemann] am 22.2.2008 wird von diesen das v. b. Wohnobjekt mit dem besprochenen Renovierungsstau gekauft (...). Käufer und Verkäufer beauftragen die Notare Helmut B. und Hans Peter S. (...) F. mit der Verkaufs- und Kaufabwicklung (...).
In dem von einem Notarassessor als amtlich bestelltem Vertreter des Notars S. beurkundeten Kaufvertrag vom 3.4.2008 (Bl. 11 ff. GA) heißt es:
V. Beschaffenheit, Mängel
Die gegenwärtige Beschaffenheit des verkauften Grundstücks und des Gebäudes ist Grundlage des heutigen Vertrages, auch wenn Beschaffenheitsmerkmale derzeit nicht erkennbar sind oder sich erst später herausstellen. (...)
Die Rechte der Käufer wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadenersatz, es sei denn die Verkäufer handeln vorsätzlich. Die Käufer haben das Kaufobjekt besichtigt; sie erwerben es im gegenwärtigen, gebrauchten Zustand. (...)
Nach der Übergabe des Hausanwesens am 31.5.2008 begannen die Klägerin und ihr Ehemann mit Umbaumaßnahmen; u.a. wurden der Außenkamin, der Terrassenaufbau nebst - belag sowie der Wintergarten entfernt und eine Außenabdichtung des Untergeschosses nebst Dämmung neu erstellt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2008 (Bl. 28 f. GA) rügten die Kläger einen "erheblichen Feuchtigkeitsschaden" und bezogen sich auf "erste Kostenvoranschläge für die Ausführung der Abdichtungsarbeiten im Außenbereich" mit einem Betrag i.H.v. mind. 12.600 EUR; die Beklagten wiesen die Forderung mit Schreiben vom 18.12.2008 (Bl. 30 GA) zurück. Der Ehemann der Klägerin erteilte im Februar 2010 den Auftrag zur Erstellung eines schriftlichen (Privat-)Gutachtens zu "Feuchte- und feuchtebedingten Mängeln am 2-Familien-Wohnhaus (...)"; nach Durchführung einer örtlichen Besichtigung am 4.2.2010 lag das Privatgutachten Ende März 2010 vor (B...