Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klage mit perplexer Bezeichnung der beklagten GmbH
Leitsatz (amtlich)
1. Auch prozessuale Erklärungen müssen unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände nach dem erkennbar Gewollten ausgelegt werden. Dabei kommt es darauf an, wie der Empfänger die Mitteilung redlicherweise verstehen musste. Die fehlerhafte Bezeichnung einer von zwei bestehenden Gesellschaften ist unschädlich, wenn die Auslegung eine zweifelsfreie Zuordnung ermöglicht und die Zustellung an diese Gesellschaft bewirkt wurde.
2. Hat der Kläger in erster Instanz lediglich vorab ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage begehrt, kann die in der Klageabweisung als unzulässig liegende Beschwer auch dadurch bekämpft werden, dass der Berufungsführer in zweiter Instanz nur einen Sachantrag formuliert.
3. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO kann in einem derartigen Fall auch auf einen bloßen Hilfsantrag erfolgen.
Normenkette
ZPO §§ 50, 130, 178, 253 Abs. 2 Nr. 1, §§ 280, 520, 538 Abs. 2 Nr. 3, § 690 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 133; GmbHG §§ 4, 10, 13
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 25.04.2008; Aktenzeichen 8 O 286/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Koblenz vom 25.4.2008 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die im vorliegenden Verfahren erhobene Klage gegen die F. Industrie und Gewerbebau GmbH gerichtet und zulässig ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG Koblenz zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden hat.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung der Gegenseite durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, es sei denn der jeweilige Vollstreckungsgläubiger leistet vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt restlichen Werklohn. Sie stützt sich dabei auf einen unter dem 1.9.2006 erteilten Auftrag der F. Industrie- und Gewerbebau GmbH (Anlage K 3 zur Klageschrift - Bl. 39 GA). Die vorprozessuale Vertragskorrespondenz (Anlagen zur Klageschrift) wurde weit überwiegend zwischen der Klägerin und der F. Industrie- und Gewerbebau GmbH geführt. Unter der Firmenanschrift der F. Industrie- und Gewerbebau GmbH existiert auch die F. Ingenieur- und Montage GmbH.
Der den Prozess einleitende Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids bezeichnet die (nicht existente) F. Ingenieur- und Gewerbebau GmbH als Antragsgegnerin.
Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin habe eine nicht existente Partei verklagt.
Mit ihrer Berufung stellt die Klägerin den Antrag auf Zahlung von 28.654,75 EUR nebst Zinsen. Hilfsweise bittet sie um Aufhebung und Zurückverweisung. Trotz der Fehlbezeichnung sei die Klage wirksam gegen ihre Vertragspartnerin, die F. Industrie und Gewerbebau GmbH, erhoben.
Die F. Industrie- und Gewerbebau GmbH verteidigt die Entscheidung des LG.
Die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind ihrer Mandantin als Streithelfer beigetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig und begründet.
1. Das Rechtsmittel ist nicht mangels Angriff gegen die Beschwer des Urteils erster Instanz unzulässig. Die F. Industrie- und Gewerbebau GmbH sieht das anders. Sie weist darauf hin, dass die Klägerin beim LG in erster Linie Rubrumsberichtigung und hilfsweise im Wege des Zwischenurteils (§ 280 ZPO) die Feststellung begehrt hat, dass die F. Industrie- und Gewerbebau GmbH beklagt ist. Im Übrigen hat die Klägerin keinen (Sach-) Antrag gestellt. In zweiter Instanz hat sie hingegen nur einen auf Zahlung gerichteten Antrag formuliert. Daraus folgert die F. Industrie- und Gewerbebau GmbH, der erstinstanzlich abgewiesene Antrag werde nicht weiterverfolgt. Die Klägerin bekämpfe nicht die Beschwer durch das Urteil erster Instanz.
Das ist nicht richtig. Die in erster Instanz begehrte Rubrumsberichtigung oder Zwischenfeststellung sollte erkennbar nur ein erster Schritt zu dem letztlich verfolgten Zahlungsantrag sein. Indem die Klägerin diesen Zahlungsantrag mit der Berufung weiterverfolgt, liegt darin zugleich die wiederholte Rechtsbehauptung, dass die F. Industrie- und Gewerbebau GmbH die richtige Beklagte ist. Demzufolge richtet sich das Rechtsmittel gegen die Beschwer durch das Urteil erster Instanz und ist damit zulässig.
2. Die Berufung ist auch begründet, soweit die Klägerin mit ihrem Leistungsantrag zugleich die Feststellung verlangt, dass die Klage sich gegen die F. Industrie und Gewerbebau GmbH richtet. Da das LG durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat, in der Sache jedoch eine weitere Verhandlung erforderlich ist, durfte das Verfahren auf den Hilfsantrag der Klägerin an das LG zurückverwiesen werden (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
Die F. Industrie- und Gewerbebau GmbH ist...