Leitsatz (amtlich)
1. Zur Aufklärung des haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhangs zwischen einer Vergewaltigungstat und einer nachfolgenden posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
2. Zu den Maßstäben der gebundenen Ermessensentscheidung im Rahmen der Beeiserleichterung nach § 287 ZPO.
Normenkette
BGB vor § 249; BGB § 823 Abs. 1-2; ZPO §§ 286-287
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 10.02.2012; Aktenzeichen 16 O 252/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 10.2.2012 sowie das zugrunde liegende Verfahren im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten. Gerichtskosten für das Verfahren im zweiten Rechtszug werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin als gesetzliche Rentenversicherung nimmt aus übergegangenem Recht der N. (*11.8.1979; nachfolgend: Versicherte) den Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Vergewaltigungstat in Anspruch.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Versicherte erhielt in den Zeiträumen vom 20.3.2000 bis 3.1.2001 und vom 10.5. bis 15.7.2001 Krankengeld als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung; vom 22.1. bis 26.2.2002 erhielt sie Übergangsgeld als Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Die im Parallelverfahren LG Koblenz - 5 O 231/06 - erhobene Schadensersatzklage der gesetzlichen Krankenversicherung gegen den Beklagten wurde durch Prozessvergleich beendet (Beschluss des LG vom 18.12.2007; Bl. 199 ff. d. Beiakte).
Das LG hat mit Urteil vom 10.2.2012 (Bl. 382 ff. GA) der Klage im Wesentlichen stattgegeben; hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
Der Beklagte verfolgt zunächst seine vom LG abschlägig beschiedene Verjährungseinrede weiter; die Klägerin habe schon im Juli 2001 im Blick auf die Zahlung des Krankengeldes an die Versicherte Kenntnis vom schädigen Umstand erhalten, so dass sich der Verjährungslauf bereits zum 31.12.2004 vollendet habe.
Zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Straftat des Beklagten im Januar 1996 und der bei der Versicherten seit dem Jahr 2000 angeblich vorliegenden posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder generalisierten Angststörung rügt der Beklagte die Feststellungen des LG als verfahrensfehlerhaft, nicht nachvollziehbar begründet und nicht im Einklang den Ergebnissen des - ohne Exploration der Versicherten erstellten - gerichtlichen (psychiatrischen) Sachverständigungsgutachtens stehend. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil sei im Lichte der von der Rechtsprechung zur Vorschrift des § 286 ZPO aufgestellten Grundsätze unvollständig, in sich widersprüchlich und verstoße überdies gegen Denkgesetze wie Erfahrungssätze. Eine durch ihn, den Beklagten, verursachte - auf die Straftat aus Januar 1996 zurückzuführende - PTBS habe die gerichtliche Sachverständige gerade nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit zu diagnostizieren vermocht. Das völlig beschwerdefreie Intervall der Versicherten von Januar 1996 bis Februar 2002, das Auftreten der psychischen Symptomatik erstmals im Zusammenhang mit der Trennungsproblematik und der fehlende inhaltliche Bezug der im Entlassungsbericht vom 20.7.2009 geschilderten Symptome zum traumatisierenden Erlebnis sprächen vorliegend indiziell gegen eine PTBS, die ohnedies mit Sicherheit nur innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Trauma diagnostiziert werden könne. Das LG sei auch verfahrensfehlerhaft den Beweisanträgen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung - Anhörung und Exploration der Versicherten; mündliche Erläuterung des Gutachtens - nicht nachgekommen; in jedem Fall müsse vor dem Berufungsgericht die Beweisaufnahme zur Kausalitätsfrage wiederholt werden.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Koblenz vom 10.2.2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen; - hilfsweise - das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Erkenntnis in prozessualer wie materiell-rechtlicher Hinsicht.
Mit Recht habe das LG den - nicht verjährten - deliktischen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht im zuerkannten Umfang für begründet erachtet. Die diesem Entscheidungssatz zugrunde liegende Gesamtwürdigung, dass die Straftaten des Beklagen zum Nachteil der Versicherten jedenfalls mitursächlich für die hier streitgegenständlichen Behandlungsaufwendungen gewesen seien, sei nicht zu beanstanden. Sie werde vom Ergebnis der Begutachtung der gerichtlichen Sachverständigen getragen. Aus den vorliegenden Gutachten ergebe sich zweifelsfrei die erforderliche Kausalität für die...