Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eines Krankenversicherers, die die Zahl erstattungsfähiger Versuche künstlicher Befruchtung (hier: auf maximal drei Versuche je Maßnahme) begrenzt, ist nicht überraschend und führt nicht ohne weiteres zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versichererungsnehmers.
2. Ein Anspruch gegen den Krankenversicherer auf Erstattung der Kosten für eine In-vitro-Fertilisation kann im Fall repetitiven Implantationsversagen infolge überaktiven Immunsystems der Frau die Kosten ihrer intravenösen Behandlung mit Immunglobulinen umfassen. Der Annahme der Anerkennung dieser Methode in der Schulmedizin steht nicht entgegen, dass es sich um einen Off-label-Use handelt, der in Ermangelung einschlägiger Leitlinien bislang in solchen auch nicht vorgesehen ist.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 04.07.2014; Aktenzeichen 4 O 164/13) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 4.7.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger zu 1. 46 %, die Klägerin zu 2. 50 % und die Beklagte 4 %.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. trägt die Beklagte 7 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1. 46 %, die Klägerin zu 2. 50 %.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Das vorbezeichnete Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf weitere Leistungen für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in Anspruch.
Der Kläger zu 1. ist bei der Beklagten im Tarif MC privat krankenversichert. Die Klägerin zu 2. ist mitversicherte Person.
Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) - Rahmen- und Tarifbedingungen der Beklagten für die Krankheitskostenversicherung, Tarif MC - (Anlage BLD 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13.02.2014, Bl. 73 ff. d.A. im folgenden: "AVB Rahmen- und Tarifbedingungen") sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) - Teil III: Tarif MC - (Anlage BLD 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13.02.2014, Bl. 73 ff. d.A. im folgenden: "Tarifbedingungen Tarif MC") zugrunde. Die AVB sehen unter bestimmten Voraussetzungen die Erstattung von Kosten einer künstlichen Befruchtung vor, beschränken diese jedoch "auf max. 3 Versuche je Maßnahme" (Ziff. A. 1. a) der Tarifbedingungen Tarif MC).
Der Kläger zu 1. leidet an einem Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom (OAT-Syndrom), d.h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter
Spermienfehlformenrate. Die Klägerin zu 2. leidet an einer Endometriose-Erkrankung. Die Fruchtbarkeit beider Ehepartner ist durch ihre jeweilige Erkrankung zumindest erheblich vermindert. Die Kläger befinden sich daher seit 2009 in Behandlung im ... [B]zentrum...[Z].
Die Beklagte sagte mit Schreiben vom 21.04.2009 gegenüber dem Kläger zu 1. die Kostenübernahme für die Durchführung von insgesamt drei Versuchen der künstlichen Befruchtung mittels einer kombinierten In-Vitro-Fertilisation (IVF)/intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) zu. Diese drei Versuche führten nicht zu einer Schwangerschaft der Klägerin zu 2).
Für die Kläger beantragte das ... [B]zentrum bei der Beklagten die Kostenübernahme für drei weitere IVF/ICSI-Behandlungsversuche. Mit Schreiben vom 13.04.2012 (Anlage K 8, Bl. 452 d.A.) sagte die Beklagte aufgrund der Mitversicherung der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die bei ihr bestehende Endometriose-Erkrankung die Übernahme der Kosten für drei weitere künstliche Befruchtungen mittels In-Vitro-Fertilisation zu. Die Kostenübernahme für eine bei dem Kläger zu 1. ergänzend vorzunehmende intrazyto-plasmatische Spermieninjektion lehnte die Beklagte hingegen ab unter Hinweis darauf, ihm seien bereits Leistungen für drei Versuche zur Verfügung gestellt worden; weitere Leistungen könnten aufgrund der tariflichen Begrenzung nicht zugesagt werden.
Im Oktober 2012 wurde ein erneuter Versuch der künstlichen Befruchtung bei der Klägerin zu 2. mittels In-Vitro-Fertilisation und ergänzender intrazytoplasmatischer Spermieninjektion des Klägers zu 1. durchgeführt. Im Rahmen dieses künstlichen Befruchtungsversuches wurde bei der Klägerin zu 2. ein immunologisch bedingtes Implantationsversagen festgestellt. Die Klägerin zu 2. wurde daraufhin intravenös mit Immunglobulinen behandelt. Die Beklagte lehnte sowohl die Übernahme der dem Kläger zu 1. für die ICSI-Behandlung vom Oktober 2012 entstandenen Kosten in Höhe von 3.961,32 EUR als auch die Übernahme der Kosten für die immunologische Behandlung der Klägerin zu ...