Leitsatz (amtlich)
Zur Zuerkennung eines Schmerzensgeldes zu Gunsten des Vaters wegen psychischer Erkrankungen infolge des Miterlebens der Geburt seines schwer behinderten Sohnes.
Die Annahme einer Gesundheitsverletzung erfordert nicht zwingend eine posttraumatische Belastungsstörung. Auch andere Reaktionen auf schwere Belastungen, die als direkte Folge einer Belastung oder eine Traumas entstehen und Auswirkungen zeigen (wie etwa der Aufgabe des Berufs, aber auch der fortlautenden psychologischen Behandlung mit mehrfachen stationären Behandlungsmaßnahmen), können über dasjenige hinausgehen, was andere Angehörige in vergleichbaren Situationen erfahrungsgemäß erleiden.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28. Mai 2014 teilweise abgeändert und im Tenor zu 2. wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Klägerin 20.102,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 16% und die Beklagte zu 84%. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für die andere Partei aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, soweit diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht aufgrund des Erlebens der behandlungsfehlerhaft begleiteten Geburt seines Sohnes C. im Klinikum der Beklagten.
Die Ehefrau des Klägers war im Jahre 2005 zum zweiten Mal schwanger. Nach einem stationären Aufenthalt wegen grenzwertig erhöhter Blutdruckwerte in der 39. Schwangerschaftswoche und kurzzeitiger Entlassung nach Hause kam es nach Blasensprung am 3. Oktober 2005 gegen 2.25 Uhr zur stationären Aufnahme. Bis 16.14 Uhr wurden CTG-Aufzeichnungen veranlasst. Ab 16.53 Uhr erfolgten in zweiminütigen Abständen Eintragungen über die mit einem Hörrohr abgehörte kindliche Herzfrequenz. Der um 17.00 Uhr schwer asphyktisch geborene Sohn des Klägers, C., erlitt während der Geburt eine hypoxämische Enzephalopathie mit schweren geistigen und körperlichen Behinderungen.
Seit April 2006 befand sich der Kläger in psychotherapeutischer Einzeltherapie. Ab dem 21. Mai 2007 war er fortlaufend arbeitsunfähig geschrieben. Im November 2007 begann er eine Reha-Maßnahme, die jedoch abgebrochen wurde, nachdem ein Non-Hodgkin-Lymphom bei ihm festgestellt wurde. Dieses wurde in der Folge behandelt. Zudem kam es zu mehrfachen stationären Behandlungsmaßnahmen wegen psychischer Beschwerdebilder. Im November 2008 erfolgte durch Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. April 2008; die befristete Bewilligung wurde anschließend verlängert.
Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung erkannte die Einstandspflicht gegenüber dem Sohn des Klägers im Oktober 2008 dem Grunde nach an.
Der Kläger hat erstinstanzlich zur Begründung seines auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 25.000,00 EUR, die Erstattung von Verdienstausfall in Höhe von 32.678,97 EUR, die Zahlung einer Verdienstausfallrente ab 1. Januar 2010 in Höhe von 1.817,94 EUR pro Monat sowie der Feststellung der Erstattungspflicht für sämtliche weiteren materiellen Schäden gerichteten Klage vorgetragen, er habe aufgrund des Erlebens der durch einen groben Behandlungsfehler begleiteten Geburt seines schwerstgeschädigten Sohnes C. eine posttraumatische Belastungsstörung mit Depressionen erlitten. Zudem sei es aufgrund des Geburtsvorgangs zu seiner Non-Hodgkin-Lymphom-Erkrankung gekommen. Das posttraumatische Belastungssyndrom habe letztlich auch zu seiner Arbeitsunfähigkeit geführt. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, der Geburtsvorgang sei bereits nicht geeignet, eine posttraumatische Belastungsstörung auszulösen. Die psychische Erkrankung des Klägers sei auf seine Lebensgeschichte und Persönlichkeitsstruktur sowie die aufwendige Pflege seines Sohnes zurückzuführen.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 28. Mai 2014 (Bl. 582 ff. GA) verwiesen.
Das sachverständig beratene Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 13.000 EUR, den Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von 24.260,65 EUR sowie die Zahlung einer Erwerbsausfallrente vom 1. Januar 2010 bis 31. März 2012 in Höhe von 1.547,94 EUR monatlich verurteilt und die Einstandspflicht für weitere materielle Schäden festgestellt. Bei dem Kläger habe sich aufgrund des Erlebens der Geburt seines S...