Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragshändlervertrag. CISG. Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO, Brüssel - I -VO, Art. 66 Abs. 2 lit. a) im Verhältnis der Europäischen Gemeinschaft zu dem Königreich Dänemark (vgl. auch Senatsbeschluss vom 26.06.2009 - 2 U 212/09 - NJOZ 2010, 898 ff.).

2. Das Anknüpfen einer außerordentlichen Kündigung eines Vertragshändlervertrages an einen zu erzielenden Mindestumsatz stellt eine unangemessene Benachteiligung des Händlers (Distributor) dar, da die Klausel auch dann eine außerordentliche Kündigung des Händlervertrages (Distribution Agreement) ermöglicht, wenn der Händler sich nach besten Kräften bemüht hat, das festgesetzte Absatzziel zu erreichen, es aber gleichwohl aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen verfehlt hat (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 13.07.2004 - KZR 10/03 - MDR 2005, 437 Citroen-Händlervertrag).

3. Art. 74 S. 1 CISG weicht von der Regelung des § 252 S. 2 BGB insoweit ab, als nicht auf den vermuteten Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, abgestellt wird, sondern auf den konkreten Nachweis des entgangenen Gewinns. Es bedarf einer hypothetischen Schadensberechnung, in deren Rahmen allerdings die nach dem lex fori berufenen nationalen Beweisregeln ausschlaggebend sein können, was für den deutschen Gerichtsort zu den Beweiserleichterungen des § 287 ZPO führen kann und wieder auf den Kerngehalt des § 252 S. 2 BGB hinausläuft.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 66 Abs. 2 lit. A; BGB §§ 307, 252; CISG Art. 74 S. 1, Art. 78; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 03.03.2009; Aktenzeichen 4 HK.O 102/08)

 

Tenor

1) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 03. März 2009 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem gezahlten Teilbetrag von 8.588,36 € für den Zeitraum vom 19.01. bis 27.02.2008 zu zahlen.

2) Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger vertrieb aufgrund Vertragshändlervertrages vom 31.10.2003 (GA 10 f.) für die Beklagte deren Produkte in Dänemark. Die Vertragslaufzeit war vom 01.01.2004 bis 31.12.2008 vorgesehen. Im Vertrag waren Mindestumsätze festgelegt, die der Kläger in keinem Jahr erreichte. Mit Schreiben vom 20.11.2007 erklärte die Beklagte unter Hinweis auf die unbefriedigende Geschäftsentwicklung die außerordentliche Kündigung des Vertrages "zum 29.02.2008 oder zum frühestmöglichen Zeitpunkt" (GA 29).

Im Januar 2008 gab der Kläger Waren im Einkaufswert von 17.535,18 € an die Beklagte zurück, wofür diese ihm am 13.02.2008 zunächst eine Gutschrift in entsprechender Höhe erteilte (GA 34/35). Am 18.02.2008 kürzte sie diese um 9.024,97 € (GA BI. 40) unter Berufung darauf, dass die Ware veraltet sei.

Der Kläger verlangt Zahlung des Restkaufpreises von 8.946,82 € sowie Ersatz des ihm infolge der seiner Auffassung nach unberechtigten fristlosen Kündigung entgangenen Gewinns in Höhe von 31.213,46 €.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei unwirksam und bedeute daher eine Vertragsverletzung, die die Beklagte zum Schadensersatz verpflichte. Die in § 9.2 des Vertrages enthaltene Regelung über die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Bei Vertragshändlerverträgen sei die Anknüpfung eines Kündigungsrechts an einen Mindestumsatz in der Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Bei dem Vertrag handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, da es zwischen den Parteien keine Verhandlungen über Vertragsklauseln gegeben habe. Im Zeitpunkt der Kündigungserklärung sei die vorgesehene 6-Monatsfrist abgelaufen gewesen, da er, der Kläger, den Umsatz für 2006 bereits im Januar 2007 der Beklagten bekannt gegeben habe. Zudem habe die Beklagte ihm vor Ausspruch der Kündigung erst eine Frist setzen müssen. Schließlich habe die Beklagte ihr Kündigungsrecht verwirkt, da er bereits 2004 und 2005 die vorgegebenen Mindestumsätze nicht erreicht habe. Der ihm entgangene Gewinn belaufe sich auf der Grundlage des Mittelwerts der Gewinne für die Jahre 2004 - 2006 auf 31.213,46 €. Die Zahlen basierten auf Einkaufswerten, die der Beklagten bekannt seien. Als ersparte Aufwendungen müsse er sich lediglich die Kosten für Werbung abziehen lassen. Er sei berechtigt gewesen, seine Tätigkeit sofort einzustellen. Aus diesem Verhalten könne...

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