Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleich materieller und immaterieller Schäden
Leitsatz (amtlich)
Rechtsfragen nach einem Ertrinkungstod im Schwimmbad
1. Regelt eine Gemeinde die Nutzung ihres Schwimmbades durch eine „Badeordnung”, erhebt Verwaltungsgebühren von den Benutzern und sieht Zwangsmaßnahmen bei Verstößen gegen die Badeordnung vor, dann liegt ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis mit den Haftungsfolgen aus § 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG vor.
2. a) Die Aufsichtspersonen in einem Schwimmbad müssen ihren Standort so wählen, dass sie das gesamte Bad überblicken und Sicht in die Schwimmbecken haben können. Erforderlichenfalls müssen sie ihren Standort öfter wechseln.
b) Steht ein Beobachtungsturm zur Verfügung, dann muß von dieser Warte aus der gesamte Beckenbereich überblickt werden können. Ist dies nicht möglich, dann muß auch hier der Standort öfter gewechselt und/oder eine weitere Aufsichtsperson eingesetzt werden.
3. Verstirbt ein Geschädigter unmittelbar nach dem Unfall, dann steht diesem grundsätzlich kein (vererbbarer) Schmerzensgeldanspruch zu.
4. Nach dem Tod eines Kindes steht den Eltern und Geschwistern ein eigener Schmerzensgeldanspruch (nur) dann zu, wenn es bei ihnen zu psychisch vermittelten Beeinträchtigungen mit gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer gekommen ist.
5. Die Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG kann nicht durch Verwaltungsakt oder Satzung, sondern nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 254/96) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers zu 1) wird das am 2. Oktober 1997 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger zu 1) 5.076 DM nebst 4 % Zinsen p.a. seit dem 31. August 1993 zu zahlen. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Kosten erster und zweiter Instanz werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten haben der Kläger zu 1) 10/24, die Klägerin zu 2) 9/24, die Klägerin zu 3) 3/24 und die Beklagte zu 1) 2/24 zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten haben der Kläger zu 1) 12/24, die Klägerin zu 2) 9/24 und die Klägerin zu 3) 3/24 der den Beklagten zu 2) und zu 3) entstandenen Kosten zu tragen.
Von den der Beklagten zu 1) entstandenen Kosten haben der Kläger zu 1) 10/24, die Klägerin zu 2) 9/24 und die Klägerin zu 3) 3/24 zu tragen. Die Beklagte zu 1) hat dem Kläger zu 1) 1/6 der ihm entstandenen Kosten zu erstatten.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger zu 1) und zu 2) sind die Eltern, die Klägerin zu 3) ist die Schwester des F. K., der – er war damals 9 Jahre alt – zusammen mit seiner Schulklasse am 6. August 1990 das Freibad in A. besuchte.
F. K. wurde tot am Rande des Nichtschwimmerbeckens im Wasser aufgefunden.
Die Beklagte zu 1) ist die Trägerin des Schwimmbades, der Beklagte zu 2) der aufsichtsführende Schwimmmeister, der sich zur Unfallzeit auf einem Beobachtungsturm befand. Der Beklagte zu 3) ist der leitende Schwimmmeister des Bades.
Die Kläger beanspruchen Schmerzensgeld teils aus eigenem, teils aus übergegangenem Recht sowie Feststellung des Ersatzes von Zukunftsschaden. Der Kläger zu 1) beansprucht darüber hinaus Ersatz der Kosten, die im Zusammenhang mit der Bestattung seines Sohnes stehen.
Die Kläger bringen vor, die Beklagten zu 2) und zu 3) hätten die ihnen gemäß der Dienstanweisung obliegenden Pflichten nicht erfüllt, insbesondere das Becken nicht ausreichend überwacht.
Das Landgericht hat nach Durchführung eines Ortstermins die Klage abgewiesen und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Umstand, dass der Bademeister vom Beobachtungsturm aus einen kleinen Winkel des Nichtschwimmerbeckens nicht habe einsehen können, stelle keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Dies müsse als unvermeidbares Restrisiko von den Benutzern des Schwimmbades hingenommen werden. Die Zuziehung eines zweiten Bademeisters, nämlich des Beklagten zu 3), sei nach den Unfallverhütungsvorschriften nicht erforderlich gewesen. Insoweit sei auch ein Fehlverhalten der Beklagten zu 2) und zu 3) nicht festzustellen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger, die es als eine grobe Pflichtwidrigkeit ansehen, wenn ein Teil eines Schwimmbeckens für längere Zeit unbeaufsichtigt bleibt.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf das Urteil des Landgerichts, auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren sowie auf die zur Sachverhaltsergänzung beigezogenen Akten des Landgerichts Köln, Az.: 5 O 310/93, und die Akten der Staatsanwaltschaft Koblenz, Az.: VRs 103 Js 41185/90, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers zu 1) hat teilweise Erfolg, soweit er gegen die Beklagte zu 1), die Verbandsgemeinde A., materielle Ersatzansprüche verfolgt.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) haften schon vom Grunde her ...