Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung eines Rhinochirurgen für Subarachnoidalblutung mit Todesfolge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verletzt ein HNO-Arzt bei einer Operation die Rhinobasis, was zu einer Blutung in den Subarachnoidalraum führt, kann sich ein typisches, trotz aller Sorgfalt nicht vermeidbares Risiko verwirklicht haben.

2. Erkennt der Arzt die Verletzung nicht und versäumt er daher eine sofortige Krisenintervention, handelt es sich nicht zwingend um einen groben Behandlungsfehler. Den Anspruchsteller trifft dann die Beweislast, dass unverzügliches Handeln den Tod des Patienten vermieden hätte.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 611, 823, 847; ZPO §§ 286-287; StGB §§ 222-223, 223a

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 25.02.2005; Aktenzeichen 10 O 577/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Koblenz vom 25.2.2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 17.8.1997 verstorbenen Ehemannes Manfred H. (künftig: Erblasser). Diesen operierte der beklagte HNO-Arzt am 13.5.1996 im Bereich der linken Kiefernhöhle und des linken Siebbeines.

Nach der Operation, die ausweislich des Narkoseprotokolls von 10.35 Uhr bis 11.35 Uhr dauerte, wachte der Erblasser verspätet auf. Um 14.15 Uhr benachrichtigte die Narkoseärztin den Beklagten davon. Als dieser um 14.30 Uhr im Krankenhaus eintraf, hatte bereits ein neurologisches Konzil stattgefunden und es war notfallmäßig eine Computertomographie angeordnet worden. Nach der infolge dessen diagnostizierten Hirnblutung wurde der Erblasser gegen 17.00 Uhr in die neuro-chirurgische Abteilung des Krankenhauses der B. in T. verlegt. Zu den dortigen ärztlichen Maßnahmen und dem postoperativen Verlauf bis zum Tode des Erblassers wird Bezug genommen auf das Gutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. H. vom 9.11.2000 (245 bis 247 StA-Akten).

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, den Erblasser nicht genügend aufgeklärt und fehlerhaft behandelt zu haben. Er habe während der Operation dessen Schädelbasis verletzt, diese Schädigung vorwerfbar nicht erkannt, und auf die sich postoperativ zeigenden neurologischen Komplikationen nicht schnell genug reagiert. Wegen der dramatischen Folgen sei ein Schmerzensgeld von 400.000 DM gerechtfertigt. Im Hinblick hierauf und materielle Schäden in einer Größenordnung von ca. 50.000 DM hat sie eine Teilklage erhoben i.H.v. 50.000 DM und diese vorrangig auf den Schmerzensgeldanspruch gestützt (9, 10 GA).

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Nach ordnungsgemäßer Aufklärung habe er die Operation fachgerecht durchgeführt. Die Schädelbasis des Erblassers habe er nicht verletzt, eine unterstellte Verletzung jedenfalls nicht erkennen können.

Die postoperative Versorgung, die weitgehend nicht in seinem Verantwortungsbereich gelegen habe, sei ebenfalls ordnungsgemäß gewesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und sachverständig beraten ausgeführt, dem Beklagten sei weder ein Aufklärungs- noch ein Behandlungsfehler unterlaufen.

Mit der Berufung rügt die Klägerin fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LG, das insbesondere die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholten, ihr günstigen Gutachten nicht berücksichtigt habe.

Die Klägerin beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.564,59 EUR nebst 7 % Zinsen seit dem 20.6.1997 zu zahlen.

Der Beklagte tritt dem entgegen, vertritt weiterhin die Auffassung, die Schädelbasis des Erblassers während der Operation nicht, jedenfalls nicht schuldhaft, verletzt zu haben.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung zweier Gutachten des HNO-Chefarztes Prof. Dr. V. vom 31.8.2006 sowie des Neurologischen Oberarztes Dr. F. vom 24.9.2007. Der Senat hat ferner Prof. Dr. V. im Termin vom 1.2.2007 angehört und die Akten der Staatsanwaltschaft Koblenz 2103 Js 32607/96 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Nach Einholung des Gutachtens Dr. F. ist im Einvernehmen mit den Parteien das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (187 bis 194 GA) sowie auf die im Strafverfahren und hier eingeholten Sachverständigengutachten Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zwar ist es während der Operation des Erblassers zu einem (leicht fährlässigen) Fehler des Beklagten gekommen, doch führt dieser nicht zum Erfolg der Klage. Denn die Klägerin konnte den ihr obliegenden Nachweis nicht führen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, der Tod des Erblassers und die hieraus hergeleiteten Ansprüche auf diesen Fehler zurückzuführen sind. Der als Belegarz...

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