Entscheidungsstichwort (Thema)

Mangelgewährleistungsanspruch beim Kauf von Kutschpferden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn Kutschpferde durchgehen, führt das im Allgemeinen zu einer die Tiere dauerhaft prägenden Traumatisierung, die ihre künftige Eignung in Frage stellt. Der Verkäufer muss ungefragt den Käufer über einen derartigen Umstand aufklären.

2. Im Leugnen des Mangels liegt nicht zwingend eine endgültige Erfüllungsverweigerung, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Fehler erstmals nach der Übergabe zutage getreten ist.

 

Normenkette

BGB § 323 Abs. 2 Nr. 3, §§ 434, 437, 476, 833

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 13.08.2008; Aktenzeichen 16 O 438/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage unter Aufhebung des Urteils der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 13.8.2008 abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beklagte verkaufte am 8.8.2007 zwei Friesenwallache, die als Kutschpferde dienen sollten. Darüber existiert eine Vertragsurkunde, die einen Kaufpreis von 15.500 EUR ausweist und neben der Unterschrift des Beklagten als Verkäufer, der Angabe "Käufer:" nachfolgend, die der Klägerin trägt.

Die Pferde waren von der Klägerin und deren Ehemann im Mai 2007 besichtigt und am 7.6.2007 zu einer Probefahrt ausgeführt worden, die problemlos verlief. Ein Ausflug, der zwei Tage nach dem Vertragsschluss stattfand, nahm dagegen ein unglückliches Ende. Die Tiere gingen dem Ehemann der Klägerin auf einem Waldweg durch und rannten in ein Kraftfahrzeug. Eines von ihnen ("Kornelius") erlitt tödliche Verletzungen.

Vor diesem Hintergrund erklärten die Klägerin und ihr Ehemann in einem anwaltlichen Schreiben vom 22.8.2007 den Rücktritt vom Kaufvertrag und vorsorglich dessen Anfechtung. Dabei bezogen sie sich auf einen Vorfall vom 15.6.2007. Ihrer Darstellung nach waren die Pferde dem Beklagten an diesem Tag ebenfalls durchgegangen. Auf diesen Umstand und die davon ausgehende Traumatisierung hätte von dessen Seite hingewiesen werden müssen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Kaufpreis von 15.500 EUR an sie zurückzugewähren und Ersatzleistungen von 1.897 EUR für die Unterstellung des zweiten Wallachs ("Melchior") in der Zeit vom 10.8.2007 bis zum 11.5.2008, von 712,45 EUR für Tierarztkosten (297,50 EUR als Folge des Unfallereignisses vom 10.8.2007 sowie 414,95 EUR für die Behandlung des Pferdes "Melchior", das an Tetanus erkrankte und daraufhin am 12.5.2008 verendete), von 232,05 EUR für die Reparatur eines am 10.8.2007 beschädigten Fahrgeschirrs sowie von 899,40 EUR wegen vorprozessualer Anwaltsgebühren zu erbringen.

Der Beklagte hat entgegengehalten, dass er den Kaufvertrag vom 8.8.2007 mit dem Ehemann der Klägerin geschlossen habe, so dass diese von vornherein nicht aktivlegitimiert sein könne. Ernsthafte Probleme mit den Pferden habe es nie gegeben. Das gelte insbesondere für den 15.6.2007, an dem die Tiere nicht durchgegangen seien. Deren Verhalten am 10.8.2007 habe der Ehemann der Klägerin zu verantworten, der sie unsachgemäß geführt habe.

Das LG hat dem Verlangen der Klägerin entsprochen. Es hat sie als Vertragspartnerin des Beklagten angesehen und diesem angelastet, nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass der Vorfall vom 15.6.2007 die Eignung der Wallache als Kutschpferde in Frage gestellt habe. Ein "Bedienfehler" des Ehemanns der Klägerin am 10.8.2007 sei nicht bewiesen.

Diese Entscheidung greift der Beklagte mit der Berufung an und erstrebt die Abweisung der Klage. Er rügt, dass das LG die Situation am 15.6.2007 einseitig aus der Perspektive der Klägerin gesehen und seine Beweisangebote übergangen habe.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Anhörung von Zeugen und des Sachverständigen T..

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.

1. Allerdings lässt sich der Klägerin nicht entgegenhalten, dass sie schon im Ansatz nicht befugt wäre, auf der Grundlage des Kaufs vom 8.8.2007 Rechte gegen den Beklagten geltend zu machen. Das LG hat ihre Aktivlegitimation zutreffend mit dem Hinweis darauf bejaht, dass sie in der Vertragsurkunde vom 8.8.2007 als Käuferin ausgewiesen ist. Vor diesem Hintergrund war das Vorbringen des Beklagten, er habe die beiden Kutschpferde an den Ehemann der Klägerin verkauft und ausgeliefert, ohne Durchschlagskraft.

2. Gleichwohl ist es der Klägerin verwehrt, den Kaufvertrag vom 8.8.2007 rückgängig zu machen und den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Die Ereignisse vom 15.6. und 10.8.2007, an die die Klägerin insoweit anknüpft, rechtfertigen das Verlangen nicht.

a) Das Geschehen vom 15.6.2007 vermag weder einen Vertragsrücktritt, wie er in dem anwaltlichen Schreiben vom 22.8.2007 in erster Linie geltend gemacht wurde, noch die darin vorsorglich erklärte Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung noch Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung vo...

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