Normenkette

BGB §§ 276, 823, 847

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 16 O 259/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 15.7.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 11/10 des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch. Er war an einem Bau seines Vaters, für den er tätig war, von einer Geschossdecke gestürzt. Der Unfall ereignete sich, als er dort – gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder – auf einem Hublader einen Block von Steinen fortbewegte, den die Beklagte angeliefert hatte. Die Steine fielen auseinander, der Kläger wurde getroffen und verlor den Halt. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich i.Ü. aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, auf den Bezug zu nehmen ist (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Beklagte greift dieses Urteil, das das Verlangen des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat, mit der Berufung an und erstrebt die Abweisung der Klage. Sie sieht weiterhin keine tragfähige Grundlage für eine Inanspruchnahme ihrer Person. Der Kläger verteidigt demgegenüber die Entscheidung des LG und bringt vor, dass die Beklagte die Steine, durch die er verletzt wurde, nicht nur lieferte, sondern auch herstellte.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Klage ist unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung abzuweisen. Eine Haftung der Beklagten scheidet aus. Sie kommt weder unter vertraglichen noch unter deliktischen Gesichtspunkten in Betracht.

1. Allerdings trafen die Beklagte als Hersteller und Verkäufer der Steine Sicherungspflichten. Sie musste grundsätzlich Sorge tragen, dass davon keine Gefahren ausgingen. Das gilt sowohl im Hinblick auf die bautechnische Eignung als auch – im Vorfeld der eigentlichen Verwendung – in Bezug auf die Verbringung der Steine in den Baubereich. Diese Verpflichtung der Beklagten war nicht nur Gegenstand des Liefervertrages, den der Vater des Klägers geschlossen hatte und in dessen Schutzbereich der Kläger ebenso wie die übrigen Bauarbeiter einbezogen war (vgl. BGHZ 51, 91 [96] = MDR 1969, 200; BGH NJW-RR 1991, 225), sondern darüber hinaus auch Ausfluss eines allgemeinen Verkehrssicherungsgebots, dessen Missachtung eine Verantwortlichkeit aus unerlaubter Handlung oder auf der Grundlage des Produkthaftungsgesetzes nach sich ziehen konnte. Ein Haftungsprivileg nach §§ 104 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII kommt der Beklagten nicht zugute. Zum einen würden diese Vorschriften grundsätzlich nur die Beschäftigten der Beklagten, nicht aber die Beklagte selbst als Unternehmerin begünstigen (BGH VersR 2001, 1028 f.). Zum anderen war die Beklagte als bloßer Zulieferer in keiner Weise in die Bautätigkeit einbezogen; insofern war sie nicht, wie dies der Gesetzeswortlaut erfordert, mit dem Kläger auf „einer gemeinsamen Betriebsstätte” tätig (vgl. BGH v. 17.10.2000 – VI ZR 67/00, MDR 2001, 155 = BGHReport 2001, 43 = VersR 2001, 372f).

2. Indessen lassen sich Versäumnisse der Beklagten nicht feststellen. Es ist weder ersichtlich, dass die Steine als solche fehlerhaft gewesen wären, noch zu erkennen, dass Gefahrmomenten, die mit ihrem Transport verbunden waren, nicht hinreichend begegnet worden wäre.

a) Der bloße Umstand, dass sich die auf dem Hublader befindlichen Steine aus ihrer kompakten Anordnung lösten und der Kläger in der Folge verletzt wurde, erlaubt noch nicht, die Beklagte haftbar zu machen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Vorkehrungen, die die Beklagte getroffen hatte, hinter dem zurückblieben, was nach Lage der Dinge im Interesse der mit ihrem Transport und Einbau befassten Personen und daher auch – worauf es im vorliegenden Fall ankommt – mit Blickrichtung auf den Kläger berechtigterweise erwartet werden konnte. Diese Frage ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu verneinen.

Nach dem unstreitigen Parteivortrag hatten die Steine, durch die der Kläger zu Schaden kam, das Format 50 cm × 24 cm × 11,5 cm und waren in Quadern von annährend 1 m × 1 m × 1,2 m Seitenlänge zusammengefasst. Wie darüber hinaus die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben hat, wurden sie in ihrer obersten Lage durch ein Stahlband zusammengehalten. Diese Sicherung war nach der Mitteilung des Sachverständigen H. sowohl im Hinblick auf die Anlieferung über die Straße als auch im Bezug auf den Abladevorgang an der Baustelle, nämlich das Absetzen auf der Decke des zweiten Obergeschosses, nicht zu beanstanden.

Unfallverhütungsvorschriften, die weiter gehende Vorkehrungen wie die Anbringung zusätzlicher Stahlbänder oder den Verschluss der Steine unter eine Folie vorschreiben würden,...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?