Leitsatz (amtlich)
1. Scheitert ein (IT-) Projekt, so sind die Erklärungen der Parteien (u.a. Kündigung, Rücktritt) auslegbar.
2. Ist der Auftraggeber (vor allem BRD, Land) nach verbindlichen Haushaltsvorschriften gehalten, keine Vorleistungen zu erbringen und nur werthaltige Leistungen zu bezahlen, so muss er in der Abwicklungsphase darlegen und beweisen, dass die bezahlten Leistungen des Auftragnehmers wertlos waren.
3. Analysen und weitere Planungsleistungen in IT-Projekten gelangen nicht erst zu einer Werthaltigkeit mit Übergabe der fertigen Programme. Sie haben wie Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren auch dann einen Wert, wenn das Projekt nicht (vollständig) zur Ausführung gelangt.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 26.09.2013; Aktenzeichen 16 O 389/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 26.9.2013 (Az.: 16 O 389/10) abgeändert und die Klage unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 41,8 % und die Beklagte zu 1.) 58,2 %. Der Klägerin werden die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2, 3 und 4.) auferlegt.
Das angefochtene und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen jeweils die Vollstreckung durch die Gegegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. der aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Geldbeträge abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. der jeweils zu vollstreckenden Geldbeträge leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten wechselseitig um die Rückzahlung von Werklohn und Bezahlung von Mehrvergütung aus einem vorzeitig außer Vollzug gesetzten Vertrag über die Lieferung von IT-Systemen durch die Beklagten zu 1.). Die Klägerin macht gegen die Beklagten zu 1.) (in der Berufungsinstanz erweitert auf die Beklagten zu 2,3 und 4) Ansprüche auf Rückzahlung von Entgelt sowie Schadensersatzansprüche geltend. Die Beklagte zu 1.) hat ihrerseits hilfsweise die Aufrechnung mit behaupteten Mehrvergütungsansprüchen geltend gemacht und begehrt im Wege der (Eventual-)Widerklage Zahlung eines verbleibenden Restbetrages.
Die Klägerin verfügte für ihre Streitkräfte über verschiedene Auswertungssysteme zur Aufklärung von sicherheitsrelevanten Sachverhalten und strebte eine Vereinheitlichung der IT-Systeme an. Nach Durchführung einer Vorstudie und einem 1999 begonnenen EU-weiten Ausschreibungsverfahren unterzeichneten die Parteien am 12.7.2002 den zuletzt am 7.11.2003 geänderten Vertrag (Anlage K3, im Folgenden: GAST-V - Integration von CR1 und 2) über die Schaffung eines IT-Systems zur Verarbeitung von militär- und verfassungsschutztechnisch aufgeklärten Sachverhalten vom 1.8.2002 bis 31.11.2007 (§ 8 Abs. 1 GAST-V). Ziel war die Vereinheitlichung der bislang getrennt für Luftwaffe, Heer, Marine und Verfassungsschutz in den Teilanlagen Rheinbach (Abteilung VI - Verfassungsschutz), Daun (Heer FmBer 93), Trier (Luftwaffe FmBer 92) und Flensburg (Marine FmBer 91) geführten Datenbanken der jeweiligen Nutzergruppen - insgesamt rund 1.000 Arbeitsplätze - sowie eine Modernisierung der Datenabbildung und -Auswertung - nach entsprechender Überführung und Weiterverarbeitung der acht Terabyte umfassenden Altdaten durch die Beklagten. Dabei sollte die hinter dem für den Nutzer sichtbaren Bildschirminhalt liegende Technik gegenüber diesem abgeschirmt werden; das heißt Such- und Abfragefunktionalitäten sollten nicht erst durch die Nutzer definiert, sondern vorab programmiert werden. Gemäß § 18 des 2. Änderungsvertrages (GAST-V.) wurden unter anderem die VOL-B vom 17.08.2000, die ZVB-BMVg in der Fassung vom 10.05.2001, die BVB-Planung, Stand 24.10.1988 und die BVB-Erstellung, Stand 1988 in den Vertrag einbezogen. Zudem wurden unter anderem die Anlage 1 "Leistungsbeschreibung Version 3.1 vom 25.08.2003" inklusive Anhängen und Anlage 5 "Meilensteinzahlungsplan" zum Bestandteil des Vertrages erklärt.
Die Beklagte verpflichtete sich, zu einem Pauschalpreis in Höhe von 82.566.864,- EUR einschließlich Umsatzsteuer gemäß § 1 i.V.m. § 8 der Leistungsbeschreibung "Gemeinsames Auswertesystem FmEloAufkl Bw" (GAST-V.), Version 3.1 vom 25.08.2003 und deren Anhängen die aufgeführten Leistungen der Realisierungsstufe 1 und 2 - sowie eine optionale Realisierungsstufe 3 - in der Zeit vom 01.08.2002 bis zum 30.01.2007 zu erbringen. Die vorgenannte Leistungsbeschreibung enthält in Anhang 2 einen "Zeit- und Meilensteinplan" (Anlage K3). Danach sollte das Gesamtvorhaben bis zum 30.11.2007 abgeschlossen werden. Für die Realisierungsstufe 1 war eine Abnahme bis zum 06.03.2005 vorgesehen, der Abschluss der Realisierungsstufe 2 war bis zum 28.02.2006 geplant und die Abnahme der (optionalen) Realisierungsstufe 3 sollte am 28.02.2007 erfolgen. Der Meilenzahlungsplan (Anlage 5 zum 2. Änderungsvertr...