Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung bei Offenhalten einer Kreditlinie
Leitsatz (amtlich)
1. Eine zur Anfechtung berechtigende inkongruene Deckung liegt nicht vor, wenn die Bank innerhalb des Anfechtungszeitraums die Kreditlinie offen hält und der Gemeinschuldner im Rahmen des nicht gekündigten Kredits diesen ausschöpft.
2. Die Frage der Inkongruenz der Rückführung eines Darlehens kann für den gesamten Zeitraum der Anfechtbarkeit nur einheitlich beantwortet werden, auch wenn die Insolvenzordnung selbst zwischen dem 2. und 3. Monat vor Insolvenzantragstellung einerseits sowie dem letzten Monat vor Antragstellung andererseits unterscheidet. Eine derartige Differenzierung würde zu zufälligen und willkürlichen Ergebnissen führen (in Anknüpfung an BGH NZI 2008,184; BGHZ 150, 122, 127).
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 142
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 19.06.2008; Aktenzeichen 3 O 510/08) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz - Einzelrichter - vom 19. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
2) Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma L. GmbH. Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse auf Rückgewähr von eingenommen Gutschriften, welche die Bank zur Debetführung des Kontokorrentkontos der Gemeinschuldnerin verwendet hat, in Anspruch.
Das Amtsgericht Montabaur - Insolvenzgericht - hat den Kläger durch Beschluss vom 28.11.2005 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. L. GmbH in B. bestellt. Vorangegangen war die Insolvenzantragstellung des Geschäftsführers M. F. der Gemeinschuldnerin am 20.09.2005.
Die Gemeinschuldnerin unterhielt bei der Beklagten u.a. ein Geschäftsgirokonto mit der Nummer ..33. Durch Vereinbarung vom 23.04.1998 hat die Beklagte der Gemeinschuldnerin auf dem Girokonto einen Kontokorrentkredit in Höhe von 1,5 Mo. DM = 766.937,82 € eingeräumt. Dieser Kreditvertrag bestand bis zur Insolvenz der Schuldnerin fort. In den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung hat die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt das Kreditlimit überschritten. Die Inanspruchnahme schwankte zwischen 689.538,25 € und 757.775,16 €.
Die Klägerin macht die monatliche Differenz zwischen den Gutschriften auf dem Kontokorrentkonto und den von der Beklagten zugelassenen Zahlungen geltend. Für die Zeit vom 21.07. bis zum 19.08.2005 (2. Monat vor Insolvenzantrag) hat die Beklagte 62.374,88 € mehr an Gutschriften verbucht (Anlage K 2, GA 10 ff.) und in der Zeit vom 20.06.2005 bis zum 20.07.2005 (3. Monat vor Insolvenzantrag) waren es 5.862,02 € (Anlage K 4, GA 12 ff.). Beide Beträge zusammengerechnet machen die Klageforderung aus.
Der Kläger hat die verrechneten Gutschriften durch die Beklagte gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten.
Der Kläger ist der Auffassung, die Befriedigung der Beklagten sei inkongruent gewesen. Sie habe auf die Gutschriften wegen des ungekündigten Kontos keinen fälligen Zahlungsanspruch gehabt. Die Gemeinschuldnerin sei spätestens am 31.05.2005 zahlungsunfähig gewesen. Sie habe zu diesem Zeitpunkt ihre Zahlungen eingestellt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68.236,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen .
Die Beklagte ist der Auffassung, es liege ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vor. Der Kläger könne nicht willkürlich bestimmte Monatssalden heranziehen, um eine Gläubigerbenachteiligung zu begründen. Die Saldodifferenz zwischen dem 20.06.2005 (3 Monate vor Insolvenzantragstellung) und dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung am 20.09.2005 betrage rund 5.000,00 €. In dem Zeitraum der Krise habe die Beklagte zwar Gutschriften verrechnet, aber umgekehrt einen fast gleich hohen Betrag zur Auszahlung wieder zugelassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Der Kläger führt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen aus, es liege ein Fall einer inkongruenten Deckung vor. Die Anfechtung sei zu Recht erfolgt. Da der Schuldner einen ungekündigten Kontokorrentkredit nicht ausgeschöpft habe, führten in der kritischen Zeit eingehende, dem Konto gutgeschriebene Zahlungen, denen keine Abbuchungen gegenüberstünden, infolge der damit verbundenen Kredittilgung zu einer inkongruenten Deckung zugunsten des Kreditinstituts. Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine kongruente Deckung vorliege. Einziger Gegenstand der Klage sei der Überschuss der eingehenden Zahlungen über die a...