Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung und Kündigung einer Reallast
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Reallast auf Lebenszeit, daneben jedoch bis zu einem kalendermäßig bestimmten Mindestzeitpunkt vereinbart, handelt es sich in der Regel um ein überlebenslängliches Recht.
2. Ohne Anhaltspunkte für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen der Beteiligten kann ein derartiges Recht nicht in eine überlebenslängliche Reallast bis zum vertraglichen Mindestzeitpunkt und für die Zeit danach in eine lebenslängliche Reallast aufgespalten werden.
Normenkette
BGB §§ 1105, 1108, 1199, 1202; EGBGB Art. 113, 115; RhPf-AGBGB § 22
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 14.01.2005; Aktenzeichen 5 O 454/03) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 14.1.2005 verkündete Teilurkundenvorbehalts- und Endurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Mainz wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger beanspruchen Zahlung aus einer zu ihren Gunsten bestellten Reallast.
Mit notariellem Vertrag vom 22.12.1981 verkaufte der Kläger ein in G. gelegenes Anwesen ("Zweifamilienhaus, Wagenhalle, größerer Bauplatz") an den Kaufmann R.W. Der Kaufpreis besteht in einer Leibrente von monatlich 9.000 DM, die lebenslänglich an die Kläger als Gesamtberechtigte zu zahlen ist, und zwar mindestens bis zum 31.12.1991. Die Höhe der Rente wird angepasst an den Lebenshaltungsindex. Eine Genehmigung der Landeszentralbank liegt vor.
Die Leibrente wird durch eine Reallast gesichert. Auf den Hinweis des AG, wegen der zeitlichen Festlegung könne die Reallast über die Lebenszeit der Berechtigten begründet sein, so dass ein Ablösebetrag bestimmt werden müsse, kam es am 28.12.1983 zu einer notariellen Nachtragsvereinbarung und zur Eintragung folgender Reallast im Grundbuch:
"Reallast (Recht auf Zahlung einer veränderlichen Geldrente mit Wertsicherungsklausel) auf Lebenszeit, mindestens jedoch bis zum 31.12.1991 für G. M. in G. und dessen Ehefrau J. M. in G. (Kläger) als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB. Der Ablösungsbetrag des Rechts gem. § 22 Abs. 3 AGBGB beträgt 972.000 DM (neunhundertzweiundsiebzigtausend Deutsche Mark).
Gemäß Bewilligung vom 22.12.1981/28.12.1983 eingetragen am 23.3.1984."
Im Jahr 1987 veräußerte R. W. das Grundstück an B.O.M.
Dieser verkaufte es 1989 an den Beklagten, der die Reallast vertraglich übernahm.
Mit Schreiben vom 31.10.2002 kündigte der Beklagte die Reallast.
Zu diesem Zeitpunkt waren an die Kläger unstreitig bereits mehr als 972.000 DM gezahlt worden.
Die Kläger beanspruchen die in der Höhe unstreitigen Monatsbeträge von 7.085,39 EUR für die Monate Mai bis November 2003 (insgesamt 49.597,73 EUR) und verfolgen die Ansprüche im Urkundenverfahren (Bl. 111 GA).
Sie haben im wesentlichen geltend gemacht: Es sei keine überlebenslängliche Reallast vereinbart worden. Die Reallast sei nicht abgelöst und auch nicht wirksam gekündigt worden. Der vereinbarte Kaufpreis sei wie die Reallast in einen festen und einen variablen Teil aufzuspalten. Schließlich sei das Kündigungsschreiben nicht vor dem 1.11.2002 zugegangen.
Der Beklagte hat im wesentlichen vorgebracht: Die Kündbarkeit folge aus der Bestimmung der Ablösesumme und auch daraus, dass eine doppelte Sicherung - Mindestdauer der Reallast von zehn Jahren und darüber hinausgehende Lebensdauer - nicht vorgesehen und nicht interessengerecht sei.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand im Urteil des LG Bezug genommen.
Das LG hat der Klage bezüglich der Rate Mai 2003 unter dem Vorbehalt des Nachverfahrens stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Es hat zur Begründung ausgeführt: Die ausgesprochene Kündigung greife ab Juni 2003. Ausweislich der Eintragung handele es sich um eine überlebenslängliche Reallast. Sie lasse sich nicht aufspalten in einen überlebenslänglichen und einen lebenslänglichen Teil, mit der Folge, dass es sich mit Ablauf des 31.12.1991 nur noch um eine lebenslängliche Reallast handele, für die ein Ablösungsbetrag nicht gelte. Eine solche - trennende - Betrachtungsweise widerspräche auch dem Sinn und Zweck der zugrunde liegenden Leibrentenvereinbarung. Die Klärung des Zugangs des Kündigungsschreibens bleibe dem Nachverfahren überlassen, wo dem angebotenen Zeugenbeweis nachzugehen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger, die den abgewiesenen Teil der Forderung i.H.v. 42.512,34 EUR nebst Zinsen zugesprochen erhalten wollen. Sie bringen dazu vor:
Es sei unzutreffend, dass die Reallast nach § 22 Abs. 3 AGBGB (Rheinland-Pfalz) gekündigt werden könne. Die Lebenslänglichkeit der Rentenzahlungen stehen nach dem Grundstückskaufvertrag eindeutig im Vordergrund, so dass die Ausnahmebestimmung des § 22 Abs. 3 AGBGB nicht greife. Die...