Normenkette

BGB § 852

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 27.05.2020; Aktenzeichen 5 O 450/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 27.05.2020 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.082,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 14.543,27 EUR, der sich Tag für Tag linear auf 12.082,70 EUR ermäßigt, für die Zeit vom 06.12.2019 bis zum 30.06.2021 sowie aus einem Betrag von 12.082,70 EUR seit dem 01.07.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs ... mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ....

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 30 % dem Kläger und zu 70 % der Beklagten auferlegt.

3. Dieses und - soweit es Bestand hat - das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines von der Beklagten hergestellten Neuwagens, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet war.

Aufgrund eines Kaufvertrags vom 10.10.2011 erwarb der Kläger bei der ...[A] GmbH in ...[Z] einen fabrikneuen Pkw ... mit EA 189-Dieselmotor zum Preis von 33.350 EUR.

Die bei den von der Beklagten hergestellten Motoren der Baureihe EA 189 verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird, und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgebend war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxid-Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung der vorbeschriebenen Software in den Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ein. Unter dem 15.10.2015 erging gegen sie deshalb ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweit zu gewährleisten. Mit Informationsschreiben von Februar 2016 wandte sich die Beklagte deswegen auch an den Kläger (vgl. Anlage K2, Bl. 9 d. LG-A.). Das zur Beseitigung der Abschalteinrichtung entwickelte Software-Update wurde auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt.

Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich zur Erstattung des Kaufpreises von 33.350 EUR gegen Übereignung des Fahrzeugs auf (vgl. Anlage K3, Bl. 10 d. LG-A.). Die Beklagte lehnte eine Ersatzleistung mit Schreiben vom 04.12.2019, laut Eingangsstempel zugegangen am Folgetag, ab; sie berief sich u. a. auf Verjährung (vgl. Anlage K4, Bl. 11 d. LG-A.). Der Musterfeststellungsklage schloss sich der Kläger nicht an.

Am 15.12.2019 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 141.416 km auf. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 05.05.2020 betrug der Kilometerstand 145.133 und am Schluss der Berufungsverhandlung (01.07.2021) 159.425.

Der Kläger hat mit der am 20.12.2019 beim Landgericht eingegangenen und am 06.01.2020 zugestellten Klage beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.629,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozent p. a. seit 21.12.2011,

hilfsweise aus 17.629,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus seit 04.12.2019

zu zahlen, jeweils Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw ...[A] Modell ..." mit der Fahrgestellnummer ... unter Berücksichtigung eines durch das Gericht zu bestimmenden gegebenenfalls weiteren Abzugs für Nutzung nach dem 15.12.2019,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit 04.12.2019, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, in Annahmeverzug befindet,

3. festzustellen, dass die Beklagte ihm auch zusätzlich Schadensersatz für künftige Schäden zu leisten hat, die aus dem Einbau der Motorsteuerung im streitgegenständlichen, unter Ziffer 1. genannten Fahrzeug herrühren, die eine unzulässige Abschalteinrichtung nach der Beurteilung dur...

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