Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 8 O 162/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 18.01.2023, Az.: 8 O 162/22, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das vorbezeichnete Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.091,55 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines Gebrauchtfahrzeugs, das zur Abgasnachbehandlung mit einem NOx-Speicherkatalysator (sog. NSK) ausgestattet ist (...[A] ... [B] ... ..., ... ... EU 6, NSK).

Einer Darstellung weiterer tatsächlicher Feststellungen i.S.d. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 543, 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer mangels vertraglicher Beziehungen allein denkbaren deliktischen Haftung der Beklagten hat sie nicht schlüssig vorgetragen. Ansprüche gegen die Beklagte folgen weder aus §§ 826, 31 BGB (1.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. mit §§ 6, 27 EG-FGV (2.). Die Klägerin dringt aus den für den Hauptanspruch geltenden Gründen auch mit ihren Nebenforderungen nicht durch (3.).

1. Ansprüche der Klägerin nach § 826 BGB auf den nach der Rücknahme der Berufung im Übrigen zuletzt noch geltend gemachten sog. kleinen Schadensersatz in Höhe von 2.445,00 EUR und weiteren 1.850,89 EUR für Darlehenskosten bestehen nicht.

a) Nach § 826 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Dies ist beim Inverkehrbringen eines Fahrzeugs der Fall, wenn dieses nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände aus besonderen Gründen - konkret beim Motor ... ... der Beklagten wegen der Ausgestaltung der Abschalteinrichtung in Form einer Software gesteuerten verdeckten Prüfstandserkennung, durch die die Emissionssteuerung im Prüfstandsbetrieb optimiert wird - als besonders verwerflich anzusehen ist (vgl. BGH, Urteile vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 18 ff. und vom 30.07.2020, VI ZR 5/20 Rn. 32 ff. sowie VI ZR 367/19, Rn. 12; Senat, Urteile vom 25.10.2019, 3 U 819/19, juris; vom 28.02.2020, 3 U 1451/19, vom 17.03.2020, 3 U 1903/19, BeckRS 2020, 14841, und vom 30.06.2020, 3 U 120/20, 3 U 123/20, juris sowie BeckRS 2020, 15296, 3 U 250/20, 3 U 1868/19, 3 U 1869/19, juris sowie BeckRS 2020, 15305, und 3 U 1900/19).

b) Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht ausgegangen werden. Denn bei einer umfassenden Würdigung des Sachvortrags beider Parteien und Bewertung des Verhaltens der Beklagten ergibt sich keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch den Erwerb des Fahrzeugs am 06.10.2016. Es fehlt hierzu sowohl an der objektiven Sittenwidrigkeit als auch am Schädigungsvorsatz der Beklagten.

c) Der Vortrag zur Fahrkurven-/Zykluserkennung ist bereits nicht hinreichend substantiiert, um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin zu begründen. Selbst wenn man den Einbau der beschriebenen Fahrkurvenerkennung mit prüfzyklusabhängiger NSK-Steuerung im streitgegenständlichen Fahrzeug unterstellte, wäre der darin liegende Gesetzesverstoß für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz emissionsbeeinflussender Einrichtungen im Verhältnis zur Klägerin als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Denn dient - wie hier - die Motorsteuerung der Vermeidung verzerrter NEFZ-Testergebnisse (also einem nicht-manipulativen, grundsätzlich anerkennenswerten Zweck), kann nicht angenommen werden, dass die verantwortlich handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der emissionsbeeinflussenden Einrichtungen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (so explizit zur NSK-Steuerung in einem Dieselmotor ... ... EU6 der Beklagten: BGH, Beschluss vom 21.03.2022, VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201, Rn. 20).

Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 10.03.2022, 24 U 112/21) betrifft einen Motor mit einem SCR-Katalysator, der mit dem im Streitfall eingebauten NSK nicht vergleichbar ist.

d) Auch aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten Thermofensters kann ein Anspruch aus § 826 BGB nicht hergeleitet werden.

aa) Die Klägerin hat in Bezug auf das Thermofenster schon nicht hinreichend dargetan, dass es sich dabei um eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 715/2007/EG handelt. Denn dann müsste nach dem klägerischen Vortrag die Wirksamkeit des Emissionsko...

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