Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenz eines Zahnarztes - Freigabe der Tätigkeit - Massezugehörigkeit von Honoraransprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die freiberufliche Tätigkeit des Insolvenzschuldners als Zahnarzt gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben, so stehen Honoraransprüche, die auf ein nach Freigabe errichtetes geschäftliches Giro-Konto gezahlt werden, grundsätzlich nicht mehr der Masse zu.
2. Zur Masse gehören die Ansprüche, denen abrechenbare Leistungen vor Freigabe zu Grunde liegen.
3. Abschlagszahlungen der Kassenzahnärztliches Vereinigung (KZV) nach Freigabe stehen als vorzeitige Erfüllung des Honoraranspruchs nicht der Masse zu. Es kommt auf den Zeitpunkt der Zahlung an.
4. Bei Zahlungen der Deutschen Zahnärztlichen Rechenstelle (DZR), denen Leistungen für Privatpatienten zu Grunde liegen, ist entscheidend, wann die honorierte Leistung erbracht und der jeweilige Gebührentatbestand erfüllt wurde. Ist dies vor Freigabe erfolgt, so steht der Anspruch der Masse zu.
5. Der Insolvenzverwalter hat bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens weitreichende Möglichkeiten und Befugnisse zur Sachaufklärung und zur Erlangung von Auskünften. Für das Bestehen eines der Masse zustehenden Anspruchs ist er darlegungs- und beweisbelastet. Daher muss er bei Zahlungen durch die DZR für Privatpatienten konkret darlegen und ggfls. beweisen, dass die abrechnungsfähige Behandlung vor Freigabe erfolgt ist.
Nachgehend
Tenor
1) Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts B vom 19.01.2017, Az. 4 O 20/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 11.481,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2016 zu zahlen.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger von der Honorarforderung seines Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit zur Freigabe des Kontos mit der Nummer: bei der C AG, Filiale ...., in Höhe von 1.101,94 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
3) Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu tragen.
4) Die Revision wird zugelassen.
5) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Insolvenzverwalter die Herausgabe eines Kontoguthabens, das dieser zur Masse gezogen hat.
Der Kläger ist Zahnarzt und betrieb im Jahr 2014 eine Zahnarztpraxis in B. Er unterhielt ein Geschäftskonto bei der Sparkasse R. Am 21.07.2014 stellte der Kläger einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 22.07.2014 ordnete das Amtsgericht B die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 21.08.2014 nahm der Kläger seinen Eigenantrag zurück, woraufhin das Amtsgericht B am 26.08.2014 den Beschluss vom 22.07.2014 wieder aufhob.
Auf Antrag der Sparkasse R vom 29.08.2014 ordnete das Amtsgericht B am 01.09.2014 erneut die vorläufige Insolvenzverwaltung an (Bl. 342 ff. d.A.) und bestellte wiederum den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter; dabei bestimmte es gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO, dass Verfügungen des Klägers nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind und der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt ist, die Geschäftsräume des Antragsgegners zu betreten; der Antragsgegner hat dem Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten.
Am 09.09.2014 beantragte der Kläger bei der C, Filiale B, die Eröffnung eines Girokontos. In das Personenstammblatt des Klägers wurden unter anderem folgende Eintragungen aufgenommen: "Beruf/Branche: wirtschaftlich selbständige Privatpersonen, Arztpraxen", bei Ausgestaltung der Kundenbeziehung wurden die Felder "geschäftlich" und "Einzelkundenbeziehung" angekreuzt. Zur Legitimation legte der Kläger seinen Personalausweis vor. Das Personenstammblatt wurde von dem Kläger und einem Mitarbeiter der C am 09.09.2014 unterzeichnet (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 07.06.2019, in zweiter Instanz zu den Akten gereicht, Bl. 303 ff. d.A.). Der Antrag auf Eröffnung des Girokontos mit der IBAN DE ... enthielt unter anderem die Eintragung "Produktbezeichnung: KlassikGeschäftskonto", vereinbart wurde eine Kontokorrentabrede. Das Konto wurde noch am gleichen Tag eröffnet, unterzeichnet hatten wiederum der Kläger und ein Mitarbeiter der C (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 07.06.2019, in zweiter Instanz zu den Akten gereicht, Bl. 307 ff. d.A.).
Ob die C Kenntnis davon hatte, dass über das Vermögen des Klägers das vorläufige Insolvenzverfah...