Entscheidungsstichwort (Thema)
Getrenntleben innerhalb der ehelichen Wohnung. Ehescheidung
Leitsatz (redaktionell)
Die Ehegatten leben nicht innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt, wenn die Ehefrau nach wie vor in erheblichem Umfang Versorgungsleistungen für den Ehemann erbringt, der seinerseits unverändert seiner Verpflichtung zum Familienunterhalt nachkommt. Dies gilt auch dann, wenn die Ehegatten seit geraumer Zeit nicht mehr geschlechtlich verkehren und andauernd verbale Auseinandersetzungen haben.
Normenkette
BGB § 1565 Abs. 1-2, §§ 1566-1567
Verfahrensgang
AG Sinzig (Urteil vom 17.07.2001; Aktenzeichen 8 F 208/99) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des AG - FamG - Sinzig vom 17.7.2001 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I. Die Parteien, beide ehemals türkische Staatsbürger und seit dem Jahre 2000 deutsche Staatsangehörige, haben am 13.6.1985 in der Türkei die Ehe geschlossen (Heiratsurkunde der Republik Türkei - Finanzministerium - Serie D Nr. 327865, Bl. 5-8 GA; Übersetzung Bl. 12 GA). Die Antragstellerin ist Hausfrau; der Antragsgegner arbeitete hauptberuflich als Schlosser und ist derzeit arbeitslos. Aus der Ehe sind die Kinder H. (*14.4.1986), K. (*18.3.1992) und M. (*15.1.1999) hervorgegangen.
Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der Ehe. Sie hält die Ehe für gescheitert, da keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr bestehe. Seit Mitte des Jahres 1998 lebten die Parteien innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt; es gäbe keinerlei Gemeinsamkeiten mehr, sondern nur noch ein "Nebeneinander ohne persönliche oder gar geistige Gemeinschaft". Wenn der Antragsgegner, der im Übrigen auch schon gewalttätig geworden sei, "eheliche Rechte" einfordere, geschehe dies gegen ihren Willen. Soweit sie noch Versorgungsleistungen für den Antragsgegner erbringe, beruhe dies auf ihrem von der türkischen Herkunft geprägten "traditionellen Rollenverständnis" und auch mit "Rücksicht auf die Kinder".
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zuweisung der Ehewohnung und des Hausrats beantragt (AG Sinzig - 8 F 208/99.EA II). In diesem Verfahren kam es zwischen den Parteien zum Abschluss eines Vergleichs, wonach der Antragsgegner sich verpflichtete, die (damalige) eheliche Wohnung in Bad B. samt Möbeln und Hausrat der Antragstellerin und den Kindern zur alleinigen Nutzung zu überlassen (Bl. 11/12 der Beiakte AG Sinzig - 8 F 208/99.EA I).
Das AG, das die Parteien persönlich angehört hat (Bl. 33 ff. GA), hat mit Urt. v. 17.7.2001 (Bl. 54 ff. GA) den Scheidungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG darauf abgestellt, dass ein Getrenntleben der Ehegatten von mindestens einem Jahr nicht festgestellt werden könne.
Mit der Berufung verfolgt die Antragstellerin das Scheidungsbegehren weiter.
Die Antragstellern beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Ehe der Parteien zu scheiden.
Der Senat hat die Parteien persönlich angehört (Bl. 136 ff. GA).
II. Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Senat vermag - in Übereinstimmung mit dem AG - nicht festzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorliegen.
Die Parteien leben nicht getrennt (§§ 1565 Abs. 1, 1567 BGB); die Fortsetzung der Ehe stellt auch keine unzumutbare Härte für die Antragstellerin dar (§ 1565 Abs. 2 BGB).
1. Das AG ist - von der Berufung nicht beanstandet - ohne weiteres davon ausgegangen, dass die Scheidung der in der Türkei geschlossenen Ehe der Parteien dem deutschen Sachrecht unterliegt. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Zwar waren beide Parteien zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags am 14.9.1999 (Bl. 19 GA) noch türkische Staatsangehörige, sodass - unwandelbar (OLG Hamm v. 31.10.1994 - 8 UF 86/94, FamRZ 1995, 933; Otte in Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, Art. 17 EGBGB Rz. 5) - das türkische Recht berufen ist (Art. 17 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB); dieses verweist indessen - beide Parteien sind inzwischen deutsche Staatsangehörige - auf das deutsche Recht zurück (Art. 13 Abs. 1 des Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht Nr. 2675 vom 20.5.1982; Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB).
2. Die Ehe der Parteien ist nicht gescheitert i.S.d. § 1565 Abs. 1 BGB. Auf der Grundlage des Vortrags der Antragstellerin und der Anhörung der Parteien kann nicht festgestellt werden, dass die - nach wie vor in einer gemeinsamen Wohnung lebenden - Parteien bereits ein Jahr getrennt leben (§ 1565 Abs. 2 BGB).
a) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann auch vollzogen werden, wenn die Parteien innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB). Dann darf allerdings kein gemeinsamer Haus...