Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung bei unzutreffender Ermittlung, Berechnung des Mindestgebots durch Rechtspfleger
Normenkette
RPflG § 9; ZVG §§ 44, 63 Abs. 2, § 83 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 26.10.2006; Aktenzeichen 1 O 57/06) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.10.2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung.
Die Klägerin und ihr früherer Ehemann, ..., waren Miteigentümer mehrerer Grundstücke. Nach der Scheidung ihrer Ehe im Jahr 1997 beantragte die Klägerin die Teilungsversteigerung zum Zweck der Auseinandersetzung der Gemeinschaft. Am 12.11.1999 fand der erste Zwangsversteigerungstermin statt, an dem die Klägerin, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, ihr früherer Ehemann sowie die Kreissparkasse Mayen teilnahmen. Die Rechtspflegerin ließ hinsichtlich der zur Versteigerung anstehenden Grundstücke neben den Einzelausgeboten auch ein Gruppenausgebot zu. Infolge eines Additionsfehlers errechnete sie das Gruppenausgebot mit 560.921,16 DM statt mit 573.304,41 DM; dies wurde von keinem der am Termin Beteiligten bemerkt. Herr R. erhielt den Zuschlag für 561.000 DM.
Nachdem die Rechtspflegerin ihren Rechenfehler bemerkt hatte, erklärte Herr R. am 16.11.1999 seine Bereitschaft zu Protokoll, den Differenzbetrag von 12.304,41 DM zuzüglich zu seinem Gebot zu zahlen. Mit Schreiben vom 18.11.1999 bat die Rechtspflegerin die Klägerin als auch die Kreissparkasse Mayen um Zustimmung zu dieser Verfahrensweise. Die Kreissparkasse erklärte ihr Einverständnis, die Klägerin gab keine Erklärung ab. Einen Tag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist rief Herr R. bei der Rechtspflegerin an und gab zu verstehen, dass er mit der Klägerin keine Einigung habe erzielen können.
Daraufhin teilte die Rechtspflegerin dies telefonisch dem damaligen Rechtsanwalt der Klägerin und der Kreissparkasse mit und legte beiden Beteiligten nahe, Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss einzulegen.
Die Klägerin, die daraufhin Beschwerde einlegte, nahm diese später zurück. Auf die von der Kreissparkasse eingelegte Beschwerde wurde der Zuschlagsbeschluss vom 12.11.1999 aufgehoben.
Im erneuten Zwangsversteigerungstermin am 6.9.2000 erhielt Herr R. mit Meistgeboten von je 100.000 DM (insgesamt 200.000 DM) erneut den Zuschlag für die beiden Grundstücke.
In der Folgezeit blieb eine Schadensersatzklage gegen den früheren Rechtsanwalt der Klägerin erfolglos.
Nachdem der Beklagte Amtshaftungsansprüche mit Schreiben vom 29.11.2005 zurückgewiesen hat, hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, die Rechtspflegerin habe, indem sie keine Kontrollrechnung vorgenommen habe, ihre Amtspflichten in grober Weise verletzt. Das ursprüngliche Gruppenausgebot habe im Wesentlichen darauf beruht, dass die Kreissparkasse ursprüngliches ihr dingliches Recht einschließlich der Zinsen angemeldet habe. Diese Zinsen hätten ihr und ihrem Ehemann zugestanden. Eine Heilung des Verfahrensmangels hätte allenfalls in Höhe des Zuschlags von 561.000 DM erfolgen können. Diese Heilung sei nicht an ihrer fehlenden Zustimmung, sondern am Widerruf ihres früheren Ehemannes gescheitert. Darüber hinaus stelle auch die Empfehlung der Rechtspflegerin, Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss einzulegen, eine weitere grob fahrlässige Amtspflichtverletzung dar.
Die Klägerin hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an sie 95.433,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 5.6.2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Rechtspflegerin habe keine drittschützende Amtspflicht verletzt.
Die fehlerhafte Addition sei nicht grob fahrlässig erfolgt. Der Rechenfehler sei für den behaupteten Schaden zudem nicht kausal geworden, da Herr R. in Höhe des zutreffenden Gruppenausgebots kein Gebot abgegeben hätte.
Die Klägerin selbst habe mit ihrer fehlenden Zustimmung zur Heilung des Zurechnungsmangels die Ursache für die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses gesetzt.
Im Übrigen sei der Anspruch verjährt, denn die Verjährungsfrist habe bereits mit Abschluss des Versteigerungsverfahrens am 6.9.2000 zu laufen begonnen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, das geringste Gebot ordnungsgemäß festzustellen, sei zwar eine auch ggü. der Klägerin als Miteigentümerin der zu versteigernden Grundstücke bestehende Amtspflicht gewesen, gleichwohl komme eine Haftung für diese Amtspflichtverletzung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in Betracht, da die im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens tätig gewordene Rechtspflegerin richterliche Aufgaben wahr...