Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständiges Beweisverfahren
Leitsatz (amtlich)
Behauptet der Antragsteller Ansprüche aus einer privaten Unfallversicherung, so können Feststellungen zum gesundheitlichen Zustand der versicherten Person, der Unfallursächlichkeit und der Höhe des unfallbedingten Invaliditätsgrades Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sein.
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Aachens vom 30.5.2005 - 9 OH 7/05 - abgeändert.
Es soll im Wege des selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485 ff. ZPO durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben werden über folgende Fragen:
1. Ist die im Bereich des linken Schultergelenks des Antragstellers bestehende Impingementsymptomatik (Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenks) Folge des vom Antragsteller am 4.11.2002 erlittenen Arbeitsunfalles?
2. Ist die bestehende Impingementsymptomatik Folge der zur Behebung der nach dem Unfall aufgetretenen Gesundheitsstörungen durchgeführten Operation (Neer'sche Acromioplastik)?
3. Besteht eine als Folge des Unfalls bzw. der danach durchgeführten Operation eingetretene dauernde Einschränkung der Leistungsfähigkeit? Wenn ja, wie hoch ist der Grad der Invalidität?
Die weiteren erforderlichen Anordnungen werden dem LG übertragen.
Gründe
Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg.
Der Antragsteller kann die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung seines gesundheitlichen Zustandes, der Unfallursächlichkeit und der Höhe des unfallbedingten Invaliditätsgrades durch Einholung eines Sachverständigengutachtens verlangen. Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 2 ZPO können grundsätzlich auch Tatsachenfeststellungen zur Vorbereitung von Ansprüchen aus einer privaten Unfallversicherung sein (OLG Köln OLGReport Köln 2002, 35). Voraussetzung ist lediglich ein rechtliches Interesse des Antragstellers an den zu treffenden Feststellungen. Ein solches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellungen der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen können. Die Führung eines Rechtsstreits ist hier nicht schon deshalb unvermeidlich, weil die Antragsgegnerin unter Hinweis auf ein von ihr eingeholtes fachorthopädisches Gutachten Leistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt hat. Die Feststellungen eines in einem selbständigen Beweisverfahren beauftragten Sachverständigen können bei negativem Ergebnis für den Antragsteller durchaus dazu führen, dass er von der Einleitung eines Rechtsstreits Abstand nimmt; andererseits kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Antragsgegnerin für den Fall, dass der beauftragte Sachverständige zu anderen Ergebnissen als der von ihr beauftragte Gutachter kommt, zumindest zu außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen bereit ist (OLG Köln, Beschl. v. 21.5.2003 - 5 W 86/02; OLG Hamm v. 3.11.1998 - 9 W 31/97, MDR 1999, 184 = OLGReport Hamm 1999, 14; OLG Saarbrücken v. 13.5.1999 - 1 W 125/99-16, NJW 2000, 3439; OLG Düsseldorf v. 13.10.2000 - 21 W 43/00, MDR 2001, 50 = OLGReport Düsseldorf 2001, 25).
Das rechtliche Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens kann auch nicht unter Hinweis darauf, dass sich der Antragsteller nicht substantiiert mit den Feststellungen des von der Antragsgegnerin beauftragten Gutachters auseinandergesetzt hat, verneint werden. Zwar ist anerkannt, dass in einem Rechtsstreit die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ausnahmsweise entbehrlich sein kann, wenn eine Partei ein außergerichtlich von ihr eingeholtes Gutachten vorgelegt hat. Ein solches Privatgutachten kann als qualifizierter Parteivortrag verwertet werden und eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts entbehrlich machen, wenn die Beweisfrage allein schon aufgrund dieses substantiierten Parteivortrags zuverlässig beantwortet werden kann (OLG Köln v. 22.3.2000 - 5 U 218/99, VersR 2001, 755, unter Hinweis auf BGH v. 11.5.1993 - VI ZR 243/92, MDR 1993, 797 = NJW 1993, 2382 [2383]; OLG Köln, Urt. v. 7.6.2000 - 5 U 255/99, [Revision mit Beschl. des BGH v. 26.9.2001 - IV ZR 182/00 - nicht angenommen]; Urt. v. 28.7.2004 - 5 U 2/04), was dann anzunehmen ist, wenn der Privatgutachter sachkundig und unabhängig ist, seine Feststellungen erschöpfend, nachvollziehbar und widerspruchsfrei sind und die gegnerische Partei keine substantiierten Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen vorbringt. Diese Grundsätze sind indes nicht auf das selbständige Beweisverfahren übertragbar. Dem Gericht ist es nämlich verwehrt, bereits im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens kann nur dann verneint werden, wenn evident is...