Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidrige Operationserweiterung

 

Leitsatz (amtlich)

Beseitigt der operierende Arzt im Zuge einer vereinbarten Operation (hier: Antirefluxplastik) mittels einer unerlaubten Eingriffserweiterung einen krankhaften, potentiell schadensträchtigen Zustand (hier: doppelte Nierenanlage), rechtfertigt die bloße Rechtswidrigkeit der Operationserweiterung nicht die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes. Der in der Verlängerung der Operationsdauer liegende Nachteil wird durch den Vorteil der medizinisch indizierten und erfolgreich verlaufenen Beseitigung des krankhaften Zustand kompensiert.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823, 253 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.04.2008; Aktenzeichen 25 O 529/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.4.2008 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 529/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin war gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Hierzu wird zunächst auf den Senatsbeschluss vom 3.11.2008 verwiesen. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats augrund mündlicher Verhandlung. Die Stellungnahme der Klägerin vom 26.11.2008 rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind weder die Frage, ob ihre Eltern nach ausreichender Aufklärung in die Entfernung des oberen Anteils der linken Niere eingewilligt haben, noch die Frage, ob die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung vorliegen, entscheidungserheblich.

Eine Ersatzpflicht der Beklagten besteht jedenfalls deshalb nicht, weil die Beseitigung der doppelten Nierenanlage links nicht zu einem Schaden der Klägerin geführt hat. Die Erweiterung der Antirefluxplastik um die Entfernung des oberen Anteils der linken Niere war medizinisch indiziert und ist erfolgreich verlaufen. Die Verlängerung der Operationsdauer, auf die die Klägerin allein zu verweisen vermag, begründet aus den im Senatsbeschluss vom 3.11.2008 bereits dargelegten Gründen keinen Schaden. Ein hierin liegenden Nachteil wird dadurch kompensiert, dass die Klägerin nicht mehr mit den aus dem Fortbestehen einer doppelten Nierenanlage resultierenden Gefahren belastet war und ist.

Anders als die Klägerin im Schriftsatz vom 24.11.2008 meint, sind die ihr durch die Beseitigung der doppelten Nierenanlage entstandenen Vorteile in rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Schadensersatz verlangt den Vergleich der tatsächlich bestehenden Lage mit der Gesamtlage, die ohne die Behandlung bestehen würde. Auch im Falle unzureichender Eingriffs- und Risikoaufklärung kommt es daher nur zum Schadensersatz, wenn und soweit das "Tauschrisiko" der Behandlung das "Krankheitsrisiko" überstiegen hat (vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht 10. Aufl. Rz. 449 m.w.N.). So liegt es hier nicht. Aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. ergibt sich, dass für die Klägerin ohne die Entfernung der doppelten Nierenanlage beachtliche gesundheitliche Risiken bestanden hätten und künftig bestehen würden (vgl. S. 28 des Gutachtens vom 24.6.2007, Bl. 176 d.A.: rezedivierende Infekte, Bluthochdruck, Nierensteine, Nierenvereiterungen). Dass sich die genannten gesundheitlichen Risiken, wie die Klägerin nunmehr hervorhebt, nicht mit Sicherheit verwirklichen mussten, ist unerheblich. Schon die Befreiung von den gesundheitlichen Risiken ist bei wertender Betrachtung als ein die verlängerte Operationsdauer aufwiegender Vorteil anzusehen.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2130749

MedR 2009, 338

VersR 2009, 982

OLGR-Mitte 2009, 352

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