Entscheidungsstichwort (Thema)
Extrauteringravidität, Diagnoseirrtum
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer sog. intramuralen Extrauteringravidität handelt es sich um eine äußerst seltene Form einer außerhalb der Gebärmutterhöhle eingenisteten Schwangerschaft, bei der der Embryo im Bereich der Gebärmutterwand zum Liegen kommt und die schwierig zu diagnostizieren ist. Der die Schwangerschaft betreuende Gynäkologe unterliegt einem nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum, wenn er die intramurale Extrauteringravidität nicht erkennt, weil der Embryo sonographisch darstellbar ist und sich dabei keine Auffälligkeiten in Bezug auf seine Lage ergeben, der erhobene ß-HCG-Wert normgemäß und das Wachstum des Embryos unauffällig sind und auch sonst keine auf eine Extrauteringravidität hinweisende Symptome wie Bauchschmerzen oder vaginale Blutungen vorliegen.
2. Bei einer unauffälligen Schwangerschaft ist eine Verlaufskontrolle des ß-HCG-Wertes nicht veranlasst.
3. Ist der Ausdruck einer Sonographieaufnahme wegen schlechter Bildqualität medizinisch-sachverständig nicht beurteilbar, wirkt sich dies beweisrechtlich nicht zulasten des Arztes aus, der die Sonographie durchgeführt hat.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, §§ 278, 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 13.04.2016; Aktenzeichen 11 O 322/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.04.2016 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen -11 O 322/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die am 28.06.1980 geborene Klägerin hatte zwei Fehlgeburten im Jahr 2013 erlitten, als sie sich wegen Ausbleibens der Monatsblutung am 24.09.2013 in der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 1), in der sie seit dem Jahr 2008 ärztlich betreut wurde, vorstellte. Es wurde zunächst eine Frühschwangerschaft festgestellt, die durch sonographische Untersuchung am 08.10.2013 bestätigt werden konnte. Am 25.10. und am 15.11.2013 erfolgten weitere Ultraschalluntersuchungen. Am 12.11.2013 fand ein Ersttrimesterscreening in der Praxis des Beklagten zu 2) statt.
Am 26.11.2013 wurde die Klägerin mit massiven Bauchschmerzen in das Medizinische Krankenhaus Städteregion B., Betriebsteil N. eingeliefert. Dort wurde der Verdacht auf Gallenkoliken geäußert. In der Nacht vom 27.11 auf den 28.11.2013 ergab sich der Verdacht auf eine intraabdominelle Blutung und man entschied sich, die Klägerin in die Universitätsklinik L., Poliklinik Gynäkologie, zu verlegen. Eine dort durchgeführte Sonographie zeigte freie Flüssigkeit im Abdomen. Der Befundbericht der Radiologie vom 28.11.2013 beschrieb eine intrauterine Schwangerschaft. Ein Verdacht auf Appendizitis oder Cholecystitis wurde durch ein anschließend durchgeführtes MRT nicht bestätigt. Die Ärzte entschlossen sich zur Durchführung einer diagnostischen Laparoskopie. Bei diesem Eingriff wurde eine fortgeschrittene Extrauteringravidität im Bereich des linken Eileiters festgestellt. Der Eileiter musste entfernt werden.
Die Klägerin hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen. Die Beklagten hätten das Vorliegen einer Eileiterschwangerschaft fehlerhaft verkannt.
Die Klägerin hat beantragt,
1.) die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Festsetzung der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2014 zu zahlen;
2.) festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden für die Vergangenheit und Zukunft, sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind;
3.) die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie die nach dem RVG nicht konsumierten außergerichtlichen Kosten bei den Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.642,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2014 im Wege der Nebenforderung zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 272 ff d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. S. (schriftliches Gutachten vom 23.09.2015, Bl. 219 ff d.A. und persönliche Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 23.03.2016, Bl. 267 ff d.A.). Anschließend hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, sie sei nicht ...