Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist auch bei Berufung der Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes Urteil nicht geboten, wenn in der Berufungsverhandlung die alle Beweismittel ausschöpfende Beweisaufnahme stattfindet, die eigentlich in I. Instanz geboten gewesen wäre.
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten mit der Anklageschrift vom 21.06. 2011 vor, am 01.03.2011 im Bereich ... an den gesondert verfolgten K. 0,33 g Heroin sowie 0,16 g Kokain zum Gesamtpreis von 30,00 € verkauft zu haben. Das Amtsgericht B. hat den Angeklagten nach Vernehmung des Zeugen PK M. in der Hauptverhandlung vom 13.10.2011 freigesprochen und in der Urteilsbegründung u.a. ausgeführt, dass dem Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, weil der Zeuge PK M. den Angeklagten als Verkäufer der Betäubungsmittel nicht wiedererkannt habe. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hatte die Staatsanwaltschaft die Verhängung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 Euro beantragt. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft fristgemäß Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Gericht habe es versäumt, in der Hauptverhandlung sämtliche zur Erforschung des Sachverhalts zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen heranzuziehen, namentlich die Zeugin Ka. und den gesondert verfolgten und inzwischen rechtskräftig verurteilten Zeugen K. zu vernehmen.
Mit Schriftsatz vom 23.11.2011 hat der bereits in erster Instanz mandatierte Wahlverteidiger des Angeklagten die Pflichtverteidigerbeiordnung beantragt und zur Begründung ausgeführt, nach dem freisprechenden Urteil des Amtsgerichts sei die Sache für den Angeklagten nunmehr schwierig im Sinne des §§ 140 Abs. 2 StPO, denn es werde anhand des Hauptverhandlungsprotokolls der ersten Instanz in der zweiten Instanz der Beweiswert der einzelnen angeführten Beweismittel zu vergleichen und zu überprüfen sein.
Diesen Antrag hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts B. mit Beschluss vom 04.01.2012 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und 2 StPO nicht vorlägen. Insbesondere sei die Mitwirkung eines Verteidigers weder wegen der Schwere der Tat noch wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten. Vor dem Amtsgericht sei bislang nur ein Zeuge vernommen worden, der dort im Wesentlichen ausgesagt habe, an den Angeklagten keine Erinnerung zu haben. Demgegenüber werde die überwiegende Anzahl von Zeugen in der Berufungshauptverhandlung erstmals zu vernehmen sein.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 18.01.2012, mit der dieser geltend macht, die Schwierigkeit für den Angeklagten ergebe sich bereits aus seiner Vita; er sei erst später nach Deutschland gekommen, beherrsche die deutsche Schriftsprache nicht ausreichend und sei darüber hinaus schwer suchtkrank. Schon die Würdigung der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft überfordere ihn aufgrund seiner Krankheit. Darüber hinaus ergebe sich die Schwierigkeit auch aus der Berufungsbegründung selbst, denn die Staatsanwaltschaft nehme Bezug auf das gegen den angeblichen Abnehmer geführte Strafverfahren, dessen Verlauf und Ergebnis; über den - notwendigen - Verteidiger werde auf die Beiziehung dieser Akte vor Vernehmung des Zeugen hinzuwirken sein.
Mit Beschluss vom 19.01.2012 hat die 5. kleine Strafkammer der Beschwerde des Angeklagten nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung des Nichtabhilfebeschlusses wird ausgeführt, dass den nunmehr angeführten Sprachproblemen gegebenenfalls durch Ladung eines Dolmetschers in die Berufungshauptverhandlung begegnet werden könne, wobei dies bislang im Hinblick darauf unterblieben sei, dass der Verteidiger im Rahmen des Telefonats mit dem Vorsitzenden zur Abstimmung des Termins zur Berufungshauptverhandlung auf Nachfrage angegeben habe, ein Dolmetscher für die Berufungshauptverhandlung werde nicht benötigt. In der Berufungsverhandlung werde die Beweisaufnahme im Wesentlichen erstmals und neu durchzuführen sein. Ein Abgleich mit Aussagen aus früheren Hauptverhandlungen im Hinblick auf mögliche Abweichungen, komme daher schon im Ansatz nicht in Betracht. Dies gelte nach den bisher vorliegenden Unterlagen aus dem Verfahren gegen den Zeugen K. auch für dessen Aussage. Die Anklageschrift in jenem Verfahren führe keine Einlassung des Zeugen K. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen ihn auf. Auch in seiner Hauptverhandlung habe der Zeuge K. im Rahmen seiner dortigen Einlassung keine Angaben dazu gemacht, von wem er das Rauschgift erworben habe. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers sei schließlich auch nicht wegen der Schwere des Tatvorwurfs geboten. Die Staatsanwaltschaft habe in erster Instanz lediglich die Verurteilung zu einer Geldstrafe beantragt. Es drohten auch keine Maßnahmen im Rahmen der Bewährungsaufsicht mehr, nachdem die letzten im Rahmen von Bewährungsverfahren noch o...