Leitsatz (amtlich)
1. Auch die von einer Unfallversicherung getroffenen Aufwendungen für die Zuziehung eines Privatsachverständigen können zu den notwendigen Prozesskosten gem. § 91 Abs. 2 ZPO gehören, wenn dieser prozessbezogen beauftragt wurde, nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige ein für die beklagte Versicherung negatives Gutachten erstattet hatte.
2. Eine verständig und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei darf kostenauslösende Maßnahmen für die Beauftragung eines Privatsachverständigen ex ante als sachdienlich ansehen, wenn sie ohne die Einholung eines Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage wäre. Dieses erstreckt sich auch auf jene Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag.
3. Auch von einer größeren Versicherungsgesellschaft kann nicht erwartet werden, eigene Sachkunde auf dem Gebiet der Augenheilkunde vorzuhalten.
4. Für die Erstattungsfähigkeit dieser Privatsachverständigenkosten im Kostenausgleichsverfahren ist nicht erforderlich, dass ein schriftlich zur Gerichtsakte gereichtes Privatgutachten Eingang in das Urteil gefunden oder die Überzeugungsbildung des Gerichts beeinflusst hat.
5. Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Privatsachverständiger für die Anfertigung des Privatgutachtens von einem höheren Stundensatz ausgeht und zeitlich länger an seinem Gutachten arbeitet als zuvor der Gerichtssachverständige.
6. Bei einem privat beauftragten Sachverständigen sind hinsichtlich der Frage der Angemessenheit des Stundenlohns nicht die Stundensätze des JVEG maßgeblich. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG scheidet aus. Lediglich wenn die Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den im JVEG vorgesehenen Stundensätzen abweichen, bedarf es einer besonderen Darlegung ihrer Notwendigkeit.
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 26 O 340/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19.12.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Nr. I. des Landgerichts Köln vom 29.11.2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1. Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere übersteigt der Beschwerdewert den Betrag von 200 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO).
2. In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht zugunsten der Beklagten die geltend gemachten Kosten für den privat beauftragen Sachverständigen festgesetzt.
a) Die Kosten für den von der Beklagten privat beauftragten Gutachten Dr. B. sind notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO.
Die Beauftragung des Sachverständigen Dr. B. erfolgte prozessbezogen, da seine Stellungnahmen erst im Juni 2018 - Klageerhebung war im Februar 2016 - und erst nach Erstellung des für die Beklagte nachteiligen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen (Mai 2018) erfolgten.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte, insbesondere in Fällen bejaht, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war; hierzu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 ff. = NJW 2012, 1370; Senat, Beschluss vom 04.05.2016 - 17 W 216/15, BeckRS 2016, 116881 - jeweils mwN).
So liegt der Streitfall. Es ging vorliegend um medizinisch durchaus anspruchsvolle Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schädigung des Sehnervs, was einer augenärztlichen Bewertung bedurfte. Es kann auch von einem größeren Versicherungsunternehmen nicht erwartet werden, dass insoweit interne Sachkunde vorgehalten wird. Auch in dem Fall, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.12.2011 zugrunde lag, war ein Versicherungskonzern auf Beklagtenseite beteiligt.
Die Beklagte hat die schriftlichen Stellungnahmen des Dr. B. zur Akte gereicht und auf dieser Grundlage zum gerichtlich eingeholten Gutachten Stellung genommen. Es ist für die Erstattungsfähigkeit nicht erforderlich, dass das Gutachten Eingang in das Urteil gefunden hat oder die Überzeugungsbildung des Gerichts im Sinne der Beklagten beeinflusst hat.
b) Soweit sich der Kläger auch bezüglich der Höhe gegen die Kostenfestsetzung wendet, hat das Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg.
aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger bei der Festsetzung die gesamte von dem Sachverständigen Dr. B. angesetzte Stundenzahl berücksichtigt hat. Der klägerseits angestellte Vergleich mit der Bearbeitungszeit des gerichtlich beauftragten Sachverständige veranlasst den Senat zu keiner anderen Bewertung, da Bearbeitungszeiten individuell sind. Eine unangemessen...