Entscheidungsstichwort (Thema)
Notfrist; nicht nachweisbare Zustellung; keine Verkündung
Leitsatz (amtlich)
Ist eine förmliche Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, nicht nachweisbar oder ist sie unterblieben, dann beginnt die 2-wöchige Notfrist des § 567 Abs. 1 S. 1 ZPO spätestens fünf Monate nach der formlosen Bekanntgabe der Entscheidung an die Parteien zu laufen.
Normenkette
ZPO § 104 Abs. 1 S. 2, § 569 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 26.04.1991; Aktenzeichen 9 O 266/88) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 250,94 EUR (490,80 DM).
Gründe
I. Am 26.4.1991 erließ der Rechtspfleger beim LG Aachen gem. § 19 Abs. 5 BRAO antragsgemäß einen Beschluss zugunsten der antragstellenden Rechtsanwälte, die den Antragsgegner zuvor im Hauptsacheverfahren vertreten hatten. Laut Verfügung der Geschäftsstelle des LG Aachen sollte der Beschluss dem Antragsgegner zugestellt werden. Ein derartiger Nachweis befindet sich aber nicht in den Akten.
Mit Schriftsatz vom 1.2.2010 meldete sich Rechtsanwältin E. für den Antragsgegner. Sie teilte mit, gegen ihren Mandanten werde aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.4.1991 vollstreckt, den dieser nie erhalten habe. Sie bat deshalb um Akteneinsicht, hilfsweise Übersendung des Kostenfestsetzungsbeschlusses in Kopie. Letzteres veranlasste der Rechtspfleger unter dem 26.2.2010.
Mit persönlichem Schreiben vom 16.6.2010, bei Gericht eingegangen am 21.6.2010, legte der Antragsgegner Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein. Darin führte er näher zu seinen wechselnden Wohnsitzen seit 1989 aus. Daraus, so der Antragsgegner, ergebe sich, dass ihm der Kostenfestsetzungsbeschluss zeitnah nie zugegangen sei. Anders als damals sei es ihm aber heute nicht möglich, die Forderung zu bezahlen, da er krankheitsbedingt inzwischen von "Hartz IV" lebe. Auch verstehe er nicht, wie diese nach dem Ablauf von mehr als 20 Jahren noch gegen ihn geltend gemacht werden könne. Mit Schriftsatz vom 6.1.2011 hat der Antragsgegner Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt sowie erneut Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt.
Die Antragsteller behaupten, das Inkassobüro, an das sie die Forderung abgetreten hätten, habe den Antragsgegner regelmäßig angeschrieben, so z.B. 1998 unter der von diesem selbst für diesen Zeitraum angegebenen Adresse in F.. Reagiert habe dieser auf die Anschreiben nie. Im Februar 2010 sei ihm die korrekte Forderung durch den Gerichtsvollzieher mitgeteilt worden.
Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat er angeführt, der Wiedereinsetzungsantrag sei wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 234 ZPO zurückzuweisen. Daraus folge, dass die Beschwerde verspätet eingelegt worden sei.
II. Die gem. § 19 Abs. 2 S. 3 BRAGO, § 11 Abs. 2 S. 3 RVG, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinerlei Erfolg.
Dem Rechtsmittel des Antragsgegners ist unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt der Erfolg zu versagen.
Allerdings nur im Ergebnis zu Recht hat der Rechtspfleger diesem nicht stattgegeben. Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag bedurfte es nicht.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Wird dem Kostenfestsetzungsantrag ganz oder teilweise stattgegeben, so ist der Kostenfestsetzungsbeschluss von Amts wegen dem Antragsgegner zuzustellen, § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO. Denn dieser stellt zum einen einen Vollstreckungstitel dar, § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, und unterliegt zum anderen der sofortigen Beschwerde, § 329 Abs. 3 ZPO. Unterbleibt die Zustellung oder ist sie nicht nachweisbar - und so liegt der Fall hier -, dann beginnt die zweiwöchige Notfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO gemäß S. 2 dieser Vorschrift spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Wird eine Entscheidung - so wie der Kostenfestsetzungsbeschluss - jedoch nicht verkündet, so beginnt die Frist von fünf Monaten mit der formlosen Bekanntgabe an die Partei (BayObLG NJW-RR 1992, 597; 1994, 856; Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 569 Rz. 5; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 569 Rz. 4; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 569 Rz. 4).
b) Hiernach begann der Lauf der Frist von fünf Monaten jedenfalls Ende Juli/Anfang August 2010, nachdem der Rechtspfleger mit Verfügung vom 26.2.2010 die Übersendung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 26.4.1991 an die vom Beschwerdeführer zunächst mandatierte Rechtsanwältin E. angeordnet hatte. Die vom Antragsgegner in seinem selbst verfassten Schreiben vom 16.6.2010 eingelegte "Beschwerde gegen den damaligen Beschluss", das am 21.6.2010 bei Gericht eingegangen ist, wäre damit rechtzeitig. Ob jedoch die Einlegung eines Rechtsmittels vor Beginn der Rechtsmittelfrist überhaupt wirksam möglich ist, kann dahinstehen. Denn da der Beschwerdeführer mi...