Leitsatz (amtlich)
1. Im Sinne der sog. strengen Wiederherstellungsklausel stellt der Ausbau eines Wohnhauses mit drei barrierefreien, selbstständig nutzbaren Wohneinheiten und die Vergrößerung der Wohnfläche von vorher 200 m2 auf 308,78 m2 nach der Umsetzung des genehmigten An-/Umbaus eine wesentliche Abweichung von der bisherigen Nutzung als Einfamilienhaus dar.
2. Mit dem Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel, das subjektive Risiko des Versicherers zu begrenzen und ihn davor zu schützen, dass sich der Versicherungsnehmer durch Vortäuschen des Versicherungsfalls Vermögensvorteile verschafft, wäre es nicht vereinbar, wenn der Versicherungsnehmer die Neuwertspitze für das durch den Brand zerstörte Bestandsgebäude auf der Grundlage der Berechnungen des Sachverständigen verlangen könnte, die Kosten für den Anbau aber selber tragen will.
3. Die tatsächliche Ausführung der vertraglichen Wiederherstellungsleistung ist nicht im Sinne einer Prognoseentscheidung sichergestellt, wenn die Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin einerseits und diejenigen der beauftragten Bauunternehmung andererseits identisch sind.
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 20 O 180/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln (20 O 180/18) vom 28.11.2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 59.936,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung anlässlich eines Brandereignisses vom 08.01.2014.
Die Beklagte und Frau CM (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) waren ursprünglich durch einen Vertrag über eine Wohngebäudeversicherung für das Hausgrundstück W.-Straße 5, Bad L. miteinander verbunden (Versicherungsschein, Bl. 133 ff.). Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten (VGB 2002, Bl. 138 ff.) zugrunde.
Bei dem versicherten Objekt handelte es sich um ein zweigeschossiges Wohngebäude, in dessen Erdgeschoss bis ins Jahr 1998 eine Arztpraxis betrieben wurde und das später durch die Versicherungsnehmerin insgesamt zu Wohnzwecken genutzt wurde.
Am 08.01.2014 kam es infolge einer Brandstiftung zu einem Feuerschaden im Obergeschoss und Treppenhaus des versicherten Gebäudes, für den die Beklagte einstandspflichtig ist (vgl. Urteil des AG Leipzig - 202 Ls 203 Js 1438/14, Bl. 157 ff.). Daraufhin schloss sie mit der Versicherungsnehmerin am 25.03.2014 eine Regulierungsvereinbarung, in der auf Basis des Entwurfes des Gutachtens des Sachverständigen K. vom 08.04.2014 (Bl. 47 ff.) der Neuwertschaden auf 213.197,00 EUR brutto und der Zeitwertschaden auf 159.898,00 EUR brutto festgesetzt wurden (Bl. 221 ff.).
Die Klägerin, die als L. Bausanierung von Herrn M.T. gegründet wurde, deren Geschäftsführerin Frau K.T. ist und deren Geschäftsfeld sich auf die Verwaltung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien und den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken erstreckt, kaufte das streitgegenständliche Grundstück mit notariellem Vertrag vom 03.04.2014, in dessen Anlage sie unter Ziffer 6 (Bl. 338) vereinbarten:
"Käufer und Verkäufer vereinbaren hiermit, daß dem Käufer der Anspruch auf den Neuwertanteil von EUR 53.299,- und der Anspruch auf Zahlung der Aufräumungs- und Abbruchkosten von EUR 7.918,- zustehen. Diese Ansprüche werden hiermit aufschiebend bedingt durch die Kaufpreiszahlung an den Käufer abgetreten."
Nach der Auflassungserklärung vom 01.04.2014 wurde die Klägerin am 13.10.2014 als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstückes in das Grundbuch der Gemeinde Bad Lausick eingetragen.
Am 25.04.2014 zahlte die Beklagte den vereinbarten Zeitwertschaden an die Versicherungsnehmerin und einen Teil der Abbruch- und Aufräumungskosten in Höhe von 1.281,00 EUR.
Am 28.08.2015 wurde der Klägerin die Baugenehmigung für den "Um- und Ausbau Wohnhaus mit drei barrierefreien Wohneinheiten" des Gebäudes erteilt (Bl. 299 f.). Hierzu beauftragte sie mit VOB-Bauvertrag vom 16.10.2015 die Fa. L. - eine Gesellschaft, die ursprünglich ebenfalls von Herrn M.T. gegründet wurde und deren Geschäftsführerin Frau K.T. ist -, die bislang die Errichtung der Baustelle sowie Abrissarbeiten vornahm. Der Vertrag enthält unter Ziff. 5.1 folgende Klausel (Bl. 373):
"Der AN (Fa. L.) beginnt die ihm übertragenen Leistungen am 16.10.2015. Einzelfristen siehe Bauzeitenplan im Rahmen der Bauberatungen sowie die im Bietergespräch festgelegten Termine. Der AN hat die ihm übertragenen Leistungen zu einem noch festzulegenden Termin komplett fertigzustellen. [...]"
Ein Zeitpunkt für den Baubeginn wurde nicht vereinbart, sodass erst im Jahre 2...