Leitsatz (amtlich)

Vergütung des Zeugenbeistandes (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die dem Zeugenbeistand zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf

261,80 €

festgesetzt werden.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG).

 

Gründe

I.

Das Landgericht Aachen führte im Jahr 2015 ein Verfahren gegen den Verurteilten, das mit Urteil vom 26.11.2015 (Az. 63 KLs 42/15), rechtskräftig seit dem 04.12.2015, abgeschlossen wurde. Im Hauptverhandlungstermin am 26.11.2015 wurde Rechtsanwalt C der Zeugin L gemäß § 68b Abs. 2 StPO "für die Dauer der heutigen Vernehmung" beigeordnet.

Unter dem 03.12.2015 hat der Zeugenbeistand beantragt, ihm für seine Tätigkeit Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 694,96 € festzusetzen und dabei unter anderem die Gebühren Nr. 4100, 4112 und 4114 VV RVG geltend gemacht. Mit Beschluss vom 14.12.2015 (Az. 63 KLs 42/15) hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Aachen die Gebühren und Auslagen auf 518,84 € festgesetzt. Abgesetzt hat sie im Vergleich zu dem Antrag des Zeugenbeistandes unter Berufung auf eine Entscheidung des Senat vom 07.05.2008 (Az. 2 Ws 220/08) die Verfahrensgebühr (Nr. 4112 VV RVG).

Auf die gegen diesen Beschluss gerichtete Erinnerung des Zeugenbeistandes vom 17.12.2015 hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts Aachen in der Besetzung mit drei Richtern mit Beschluss vom 02.02.2016 (i.V.m. dem Beschluss vom 26.02.2016, Az. jeweils 63 KLs 42/15) den angefochtenen Beschluss abgeändert und die zu erstattenden Gebühren auf 694,96 € festgesetzt. Nach einer Änderung des RVG stehe dem Zeugenbeistand auch die Verfahrensgebühr zu, die von der Rechtspflegerin genannte Entscheidung des Senats sei vor diesem Hintergrund überholt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat die Kammer die Beschwerde zugelassen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Bezirksrevisor beim Landgericht Aachen mit seiner Beschwerde vom 15.02.2016, die am 16.02.2016 bei Gericht eingegangen und am 25.02.2016 begründet worden ist, und der die Strafkammer mit Beschluss vom 26.02.2016 nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die Beschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Landgericht statthaft gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Frist von zwei Wochen gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden. Der Senat entscheidet über sie in der Besetzung mit drei Richtern, da der angefochtene Beschluss nicht durch einen Einzelrichter erlassen worden ist, § 33 Abs. 8 S. 1 RVG.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Einleitend ist festzuhalten, dass der Senat die Beschwerde dahingehend auslegt, dass diese sich gegen den Gebührenansatz in dem angefochtenen Beschluss insgesamt richtet und nicht lediglich gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr. Zwar heißt es in der Beschwerdebegründung, die Landeskasse fühle sich weiterhin an die genannte Entscheidung des Senats aus dem Jahr 2008 gebunden. Im Gesamtzusammenhang gesehen dient diese Formulierung aber offenbar nur der Darstellung der Rechtslage in der grundsätzlichen Frage der Vergütung von Zeugenbeiständen nach Abschnitt 1 oder Abschnitt 3 des Teils 4 der VV RVG, der nach der Beschwerdebegründung grundsätzliche Bedeutung zukomme. Dies korrespondiert im Übrigen mit der Begründung, mit der die Kammer die Beschwerde zugelassen hat. Darin ist die grundsätzliche Bedeutung der Sache mit beiden Aspekten begründet worden.

b) Unter Zugrundelegung der bisherigen Senatsrechtsprechung erscheint der angefochtene Beschluss folgerichtig und zutreffend. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung zur Vergütung des Zeugenbeistandes indes nicht weiter fest.

aa) Der Senat hat sich in dem bereits erwähnten Beschluss vom 07.05.2008 (Az. 2 Ws 220/08 = StraFo 2008, 350) und zuvor bereits in den Entscheidungen vom 06.01.2006 (Az. 2 Ws 9/06 = NStZ 2006, 410) und vom 17.12.2007 (Az. 2 Ws 613/07 = StraFo 2008, 223) der (damals) herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen, nach der die Vergütung des gemäß § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistandes sich an der eines Verteidigers orientiere und sich daher nach dem 1. Abschnitt des 4. Teils der VV RVG richte. Zur Begründung hat er auf die Intention des Gesetzgebers abgestellt, wie sie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, sowie auf den Wortlaut der Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG, die den Zeugenbeistand nicht erwähne.

bb) Nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage und vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen gesetzgeberischen Aktivitäten gibt der Senat diese Rechtsprechung auf und schließt sich, ebenso wie eine Reihe weiterer Oberlandesgerichte in jüngster Zeit (vgl. OLG München JurBüro 2014, 359 bzw. Rpfleger 2014, 546; OLG Koblenz RVGreport 2016, 144), der Gegenauffassung an, die mittlerweile als herrschende Auffassung jedenfalls in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu bezeichnen ist (vgl. OLG Saa...

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